Getötete Tessinerin Nadia A. (†35)
Wollte Michele E. (42) wie seine Romanhelden morden?

Michele E. steht im Verdacht seine Schwägerin getötet zu haben. In seiner Freizeit schrieb der Informatiker brutale Krimis.
Publiziert: 20.10.2016 um 09:57 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 17:03 Uhr
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Michele E. (42) soll seine Schwägerin getötet haben.
Myrte Müller

Ein freundlicher junger Mann, sagen Nachbarn. Etwas scheu und zurückhaltend. Doch in seiner Phantasie ist Michele E. (42) alles andere als ein Softie. Der mutmassliche Mörder von Nadia A. (35) schreibt leidenschaftlich Horror-Geschichten. Bücher, die nie veröffentlicht wurden. 

In einem Buch wird seine Romanheldin zur Serienkillerin. Die Opfer sind Studentinnen einer US-Universität. Junge Frauen wie Nadia A., seine Schwägerin.

Plastiksack über den Kopf?

Ihre Leiche wird am Sonntagnachmittag in einem Waldstück entdeckt. Nur fünf Kilometer von Nadias Wohnung entfernt. Die Autopsie ergibt: Nadia starb an den Folgen eines Lungenödems. Vielleicht wurde sie vergiftet. Laut Ticinonline könnte sie auch mit einem Plastiksack über dem Kopf erstickt worden sein.

Nadia A. (†35) wurde tot im Wald aufgefunden.

Schnell ist den Ermittlern klar: Fundort ist nicht Tatort. Nadia A. trug nur Socken. Und die waren sauber. Jemand hat die Leiche ins Unterholz geschleppt.

Erste Ermittlungen ergeben, dass Nadia am Freitagnachmittag in ihrer Wohnung in Stabio getötet, anschliessend im Wald deponiert worden sei.

Nadias Familie und ihr Verlobter werden befragt. Nur Schwager Michele E. fehlt. Sein Handy wird in Italien geortet. Als er am Dienstnacht gegen Mitternacht über den Grenzübergang Gaggiolo wieder ins Tessin zurückkehren will, klicken die Handschellen.

Er sagt, er habe die Leiche «gefunden» 

Nur 48 Stunden brauchen Kapo und Carabinieri. Ein Fahndungserfolg! Michele E. ist geständig, zumindest teilweise. Er habe die tote Schwägerin am Freitagabend in der Wohnung gefunden. Da dort auch Nadias Mutter leben würde, habe er sie vom Anblick verschonen wollen. So sei er mit dem leblosen Körper über die Grenze gefahren und habe sie in den Wald gelegt.

Am gleichen Abend habe Michele E. mit seiner Frau und Schwiegermutter in einem Restaurant im Grenzgebiet zu Abend gegessen. Für ein Alibi reicht dies nicht. Seine Unschuldsbeteuerungen überzeugen die Ankläger nicht.

Michele E. wird weiterhin Mord und die Entsorgung einer Leiche vorgeworfen. Ist Michele E. tatsächlich ein Killer? Wollte er selbst mal einen Mord ausprobieren? Schlüpfte er in die Rolle seines Romanhelden im 115 Seiten langen Psychothrillers, den er «Licht und Schatten» nannte?

Lieblingsautor: Stephen King

Im Licht fiel der freundliche junge Mann nicht auf. Er wird in Brescia I geboren, zieht mit sechs ins Tessin. Schon früh schreibt er Novellen und Romane. Er ist auch beruflich fleissig. Er wird Bauzeichner, dann Architekt, arbeitet schliesslich als Informatiker bei der Berufsfachhochschule in Trevano TI. Schliesslich heiratet er Nadias Schwester Manuela. 

Er liebt Musik, Sport, Kino. Wie viele andere auch. Doch im Schatten taucht er in die Welt seines Vorbildes, Horror-Autor Stephen King. 

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