Züchtigung mit dem Stock und keinen Sex vor der Ehe – mit solch strengen Regeln leben die Freikirchler laut Sektenexperte Georg Otto Schmid (48). «In Sache Züchtigung findet zwar ein Umdenken statt, doch ein Verbot lehnen die Freikirchler nach wie vor ab», sagt er, «das gibt den Radikalen leider weiterhin einen Freiraum.» Ein grosses Tabu sei aber auch die Homosexualität. Zudem wehrten sich viele Konservative gegen das Moderne. «Sie sind gegen Rock und Popmusik, weil die Rhythmen zum Sündigen verleiten.» Genauso lehnten sie gewisse Fernsehprogramme oder Computerspiele ab.
Trotz dieser rigiden Vorschriften platziert die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) überdurchschnittlich viele Pflegekinder bei Freikirchlern, wie Ruedi Winet (52), Präsident der Zürcher KESB-Präsidien-Vereinigung, gestern im BLICK sagte. Weil nicht genügend andere Familie zur Verfügung stünden. Am Montag berichtete BLICK über einen Fall aus Herisau.
Marilyn Halter (53) kämpft um ihre Enkelkinder, die sie aus gesundheitlichen Gründen vorübergehend in fremde Hände gab. Bis heute hat sie sie nicht zurückbekommen. Brisant: Die Pflegeeltern sind Mitglied einer Freikirche, die zum FCT (For Christ Totally) gehört. Gegen den Willen der Grosseltern müssen die Enkel regelmässig zur Frömmlermesse. «Meine Enkel sind aber katholisch, das Mädchen hätte Erstkommunion, doch das ist der KESB egal», sagt die Grossmutter. Die Pflegefamilie wollte auf Anfrage keine Stellung nehmen.
Laut Schmid gibt es schweizweit zwei Dutzend Freikirchen-Verbände mit rund 100 000 Mitgliedern, dazu rund 50 000 Sympathisanten. «Die Freikirchler sind keine Sekte. Sie sind eine christlich-konservative Subkultur, die sich nicht an alle modernen Entwicklungen anpassen wollen», sagt Schmid. Zudem glauben sie, dass einzig ihre Auslegung des Christentums die Erlösung bringe. Auf der Homepage der FCT heisst es denn auch: «Wir begleiten, fördern und lehren Menschen in ihrem Glaubensleben, damit der göttliche Plan Erfüllung finden wird.»