Schweizweit hat sich die Anzahl der Tierschutzstrafverfahren in den letzten zehn Jahren verdreifacht. Das liegt auch an einer erhöhten Sensibilität der Bevölkerung und einer verstärkten Bereitschaft der Behörden, Tierschutzdelikte konsequenter zu verfolgen, hält die Stiftung «Für das Tier im Recht» (TIR) fest.
«Strafrahmen bei weitem nicht ausgeschöpft»
Ein Blick in die Datenbank der Fälle von 2013 lässt Tierfreunden die Haare zu Berge stehen. Gleichzeitig sind die für die Taten ausgesprochenen Strafen tief. Landesweit belaufen sich die Bussen seit 2011 im Durchschnitt auf 300 Franken. Laut TIR wird der gesetzliche Strafrahmen bei der Beurteilung von Tierschutzdelikten bei weitem nicht ausgeschöpft. 90 Prozent der Geldstrafen würden bedingt ausgesprochen und Freiheitsstrafen so gut wie nie verhängt: «Dadurch entsteht der falsche Eindruck, dass es sich bei Tierschutzwidrigkeiten nach wie vor um Kavaliersdelikte handelt.»
Die stellvertretende Geschäftsleiterin und Rechtsanwältin Christine Künzli hat Blick.ch Fallbeispiele herausgesucht:
Genf: Der Beschuldigte hält seine beiden Katzen im verdunkelten Haus. Die Räume sind stark verschmutzt und für die Katzen sind keine Säuberungsgelegenheiten bereitgestellt. Die Tiere werden mit verdorbener Nahrung gefüttert. Der Halter ertränkt eine Katze in der Badewanne, weil das Tier ihn kratzt.
Solothurn: Der Beschuldigte hält mehrere Kaninchen in zu kleinen Käfigen, ohne diese regelmässig auszumisten, wodurch die Gehege mit mehrwöchigen Kotschichten belegt sind. Er verwehrt den Kaninchen wie auch seinem Hund frisches Wasser. Die Kaninchen vernachlässigt er derart, dass sie an Unterernährung sterben oder nach der Sicherstellung euthanisiert werden müssen.
Bern: Der Beschuldigte schiesst mit seinem Kleinkalibergewehr auf zwei Katzen. Eine Katze stirbt; die andere Katze wird im Kopf/Mund getroffen, was der Beschuldigte bemerkt. Die Katze überschlägt sich und versteckt sich im Heulager, wo sie am Folgetag durch eine Frau gefunden und zum Tierarzt gebracht wird.
Solothurn: Der Beschuldigte schiesst mit seiner Kleinkaliberpistole auf eine Katze, als diese auf einem Baum auf Vögel lauert. Dabei verletzt er sie massiv an den Hinterbeinen, sodass sie nur noch mit den Vorderbeinen davonkriechen kann. Anschliessend schiesst er der Katze zwei Mal in den Kopf, bis sie tot ist.
Bern: Der Beschuldigte schlägt seiner Katze ca. 20-mal mit der flachen Hand auf den Kopf, sodass sie an den Verletzungen stirbt.
Waadt: Der Beschuldigte sorgt sich nicht um seine zwei Schafherden, indem er ihnen weder Trinkwasser noch Futter zur Verfügung stellte. Anlässlich einer Kontrolle werden ungefähr 100 abgemagerte und dehydrierte Kadaver, drei ausgenommene Skelette sowie 30 noch lebende, aber deutlich geschwächte und stark abgemagerte Schafe festgestellt. Zudem wird ein Mutterschaf tot inmitten einer Rinderherde gefunden.
Bern: Der Beschuldigte kauft einen Zwergpudelwelpen. Zu Hause verletzt sich der Hund beim Herausspringen aus dem Auto und fängt an zu humpeln. Als der Hund das Laufen an der Leine verweigert, schleift der Beschuldigte ihn zwei Wagenlängen hinter sich her, reisst ihn in die Höhe und lässt ihn aus fast zwei Meter Höhe auf den Boden fallen. In der Wohnung duscht er den Hund aufgrund des Drecks und Blutes mit heissem Wasser ab. Als der Hund den Beschuldigten beim Abtrocknen anpinkelt, packt dieser den Welpen mit beiden Händen am Hals. Er drückt mit voller Kraft die Kehle des Hundes zu und schüttelt ihn, bis es knackt, Blut aus der Nase und dem Mund des Hundes fliesst und sich der Hund nicht mehr bewegt. Danach verstaut er den Hund im Rucksack. Als der Rucksack im Treppenhaus auf den Boden fällt, stampft der Beschuldigte auf den sich im Rucksack befindlichen Hund. Der Hund stirbt an multiplen Rippenfrakturen, multiplen Lungenrissen, einem Schädelbruch und einer Fraktur des linken Hinterbeins. Sein Besitzer entsorgt ihn mitsamt dem Rucksack an einer Autobahnraststätte in einem Abfalleimer.
Gut zu wissen: Die hier aufgeführten Tierquälereien wurden angezeigt, untersucht und sanktioniert. Wobei manche Strafen so tief ausgefallen sind, dass sie für Künzli nicht nachvollziehbar sind. So wurde der Besitzer des Zwergpudelwelpen mit einer bedingten Geldstrafe von 75 Tagessätzen à 40 Franken bei einer Probezeit von zwei Jahren, eine Verbindungsbusse von 200 und einer Busse von 300 Franken bestraft.