Schriftsteller Pedro Lenz zu Weihnachten
Statt über die eigene reden wir über andere Religionen

Weihnachten verliert immer mehr an Besinnlichkeit. SonntagsBlick hat den Laientheologen und Schriftsteller Pedro Lenz (50) über die schwindende spirituelle Bedeutung des Fests befragt.
Publiziert: 20.12.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 10.09.2018 um 19:30 Uhr
Weihnachten, aber richtig: Auf diesem kolorierten Stich beten die Hirten das frisch geborene Jesuskind an. Er stammt aus dem frühen 17. Jahrhundert.
Foto: akg-images
Text: Pedro Lenz
«Aus der frohen Botschaft ist eine frivole Botschaft geworden»

Stell dir vor, es ist Weihnachten und niemand will wissen, worum es geht. Geht es um einen übergewichtigen Weihnachtsmann mit Rentierschlitten? Geht es um eine rote Zipfelmütze mit weissem Pelzbesatz? Geht es um vakuumverpacktes Fondue chinoise aus Brasilien? Oder geht es um Parfümerieprospekte mit Goldglanzkugeldekoration?

War da nicht noch irgendetwas mit dem Kind, das in Windeln gewickelt in einer Futterkrippe lag?

Wer sich hierzulande in der Vorweihnachtszeit umsieht und umhört, vernimmt wenig über Weihnachten. Die allgegenwärtige Warenhausbeschallung übertönt die Botschaft der Engel. Es kommt einem vor, als hätten wir uns darauf geeinigt, die Geschichte von der Geburt unseres Religionsstifters zu banalisieren. Aus der frohen Botschaft ist eine frivole Botschaft geworden.

Religion hat auch mit Wissen zu tun. Aber Wissen scheint zurzeit nicht sehr angesagt zu sein. Lieber als frohe Weihnachten wünschen wir einander schöne Festtage. Lieber als vom Stall in Bethlehem reden wir über Last-Minute-Badeferien. Und lieber als die Geschichte von der Herbergssuche erzählen wir uns Geschichten von drohender Überfremdung. Das Thema Religion ist uns peinlich geworden, ausser es betreffe die Diskussion um das Kopftuchverbot.

Dabei ist Religion durchaus ein Thema in diesen Wochen. Doch statt über die eigene Religion reden wir über die Religion der andern. Es wird schwierig, mit anderen Religionen in Dialog zu treten, wenn wir keine Ahnung mehr haben, aus welchem reli­giösen Stall wir selbst kommen.

Die eigene religiöse Prägung scheint uns gerade in der Weihnachtszeit lästig zu sein. Unser Christentum ist fett geworden wie der Weihnachtsmann, der uns von allen Weihnachtskarten zuwinkt – fett, zahnlos und austauschbar.

Vielleicht glauben manche von uns, das Nichtwissen und das Nichtreden über die Weihnachtsbotschaft habe mit einer aufgeklärten Haltung zu tun. Aber Aufklärung steht nicht im Widerspruch zu Besinnung. Wann, wenn nicht an Weihnachten, hätten wir Gelegenheit, uns auf unsere Werte zu besinnen? Laut war im Zusammenhang mit den Anschlägen von Paris der Ruf nach einer Wertedebatte in Eu­ropa. Aber eine Wertedebatte ohne Werte wird schwer zu führen sein.

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