Dank dem Finöv-Fonds ist die Schweizer Bahn nach 2000 lärmsaniert worden, im Wesentlichen auch beim Rollmaterial, beispielsweise mit besseren Bremsen. Auch die einheimischen Güterwagen rattern damit seit 2011 also weniger. Schweizer Bahnfirmen halten die derzeitigen Lärmvorschriften ein, wie es beim Bundesamt für Verkehr (BAV) heisst.
Ausländische Güterzüge - auf Transitstrecken machen diese rund zwei Drittel aus - dürfen noch bis Ende 2019 lauter durch die Schweiz rattern; doch ab 2020 wird zu lauten Wagen die Durchfahrt verboten. Wenn allerdings die EU ihre geplanten neuen Vorschriften erst 2022 in Kraft setzt, will die Schweiz ihr Verbot bis dann vertagen.
Preisschild offen
Die künftigen Güterwagen der SBB Cargo sollen dank Scheibenbremsen noch leiser sein als bisherige mit moderneren Belägen an klassischen Laufflächenbremsen. Zudem sollen sie Schalldämpfer bekommen. Unter dem Strich soll so ein Güterwagen laut SBB Cargo 5 bis 10 Dezibel weniger Krach machen und das Niveau eines Personenzugs erreichen.
Weitere neue Bauteile sollen Güterwagen nicht nur leiser, sondern auch besser nutzbar machen. Unter anderem reduzieren einstellbare statt feste Drehgestelle den Verschleiss oder machen automatische statt manuelle Kupplungen das Rangieren viel effizienter. Bei diesen Innovationen arbeitet die SBB mit diversen Herstellern zusammen.
Auf diese Kooperation mit konkurrenzierenden Lieferanten ist Jürgen Mues, Asset Management-Leiter der SBB Cargo, stolz, wie er vor den Medien ausführte. Weil jene ihre Teile zum Versuchszug gratis beisteuern, mochte er den Mehrpreis gegenüber normalen Fahrzeugen nicht beziffern. Über die Lebensdauer gerechnet solle es sich auszahlen.
Vier Versuchsjahre
Der Prototyp steht nun vor der Zulassung für den regulären Betrieb zuerst in der Schweiz und ab 2018 auch international. Während einer vierjährigen Testphase sollen insgesamt 16 solche Güterwagen in einem neuen so genannten «5L-Zug» je mindestens 400'000 Kilometer Laufleistung abspulen, um die Alltagstauglichkeit zu erproben und Variantenentscheide vorzubereiten.
Dass in Europa trotz eines Entscheids zur Umstellung auf in den USA schon lange übliche automatische «Mittelpuffer-Kupplungen» immer noch manuelle Haken Standard sind, liegt an der Kompatibilität: Das erste Bahnunternehmen, das umstellt, muss alleine zurechtkommen, bis andere nachgezogen haben und die Güterwagen wieder zusammen passen.
Am SBB-Versuchszug werden laut Projektleiterin Jessica Müller vier verschiedene Kupplungstypen paketweise verbaut. So will SBB Cargo weniger das Kuppeln an sich testen als das Fahrverhalten. Auch Drehgestelle werden verschiedene Typen verbaut; ein Ziel ist mehr Achslast. Vorgesehen ist der Einsatz im Express-Güternetz mit 120 km/h.
Konkurrenzdruck
Am Montag war indes noch keine der neuen Kupplungen in Muttenz eingetroffen. Im Visier ist eine fernsteuerbare abgespeckte Personenzug-Kupplung, ähnlich jenen in neuerem S-Bahn-Rollmaterial (Flirt). Kommt diese Automatisierung, fällt beim Rangieren nicht nur eine Unfallquelle weg, sondern braucht es auch weniger Personal.
Mues begründet die Güterwagen-Modernisierung mit der Konkurrenzlage im liberalisierten Güterverkehr: Die Bahn müsse gegen die Strasse bestehen, und dazu sei die Digitalisierung eine «riesige Chance". Automatisierung bringe viel mehr Flexibilität und Tempo. Die Kundschaft etwa im Handel habe auch längst eine Waren-Ortung.
Weniger Lärm reduziert zudem die Trasseekosten, wie Mues einräumt: Dank Bonussystemen holt beispielsweise ein vierachsiger Güterwagen mit sanierten Bremsen in einem Jahr (30'000 km) zwischen Rotterdam und Chiasso bis zu 1400 Euro Boni heraus, wie das BAV zusammen mit deutschen und niederländischen Stellen für 2014 errechnet hatte. (SDA)