BLICK: Professor Weder, wie ging es Peter Padrutt vor der Lungentransplantation?
Walter Weder: Er war in einem sehr schlechten gesundheitlichen Zustand und lag vor der Operation knapp einen Monat lang auf der Intensivstation. Er musste künstlich beatmet werden. Sein Blut wurde für den Gasaustausch zusätzlich in eine Maschine geleitet. Noch vor kurzem wäre es nicht möglich gewesen, Peter Padrutt so lange zu stabilisieren. Er wäre gestorben.
Wie wurde seine neue Lunge gefunden?
Peter Padrutt war wegen seines schlechten Zustands auf der Super-dringend-Liste für eine Spenderlunge. Am 28. Oktober stand dann ein geeignetes Organ zur Verfügung.
Wie lange dauerte die Operation?
Mein Team unter der Leitung von Ilhan Inci und Peter Kestenholz operierte rund acht Stunden. Das ist die normale Dauer einer Lungentransplantation.
Wie verläuft so eine Operation?
Man hat ja zwei Lungen. Zuerst entfernt man die eine Lunge. In dieser Zeit wird der Patient mit der kranken Eigenlunge beatmet. Bei Peter Padrutt ging das nicht. Wir benutzten zur Beatmung das gleiche System, das er auf der Intensivstation hatte. Das ist eigentlich eine künstliche Lunge. Die Lunge wird dann herausgenommen, und man verbindet die Luftwege, indem man zuerst die Bronchien verbindet. Anschliessend näht man die Lungenvenen direkt in den Vorhof des schlagenden Herzes ein. Am Schluss stellt man die Arterienverbindung her.
Von welchem Moment an lebt der Patient mit der neuen Lunge?
Von der Sekunde an, in der die Arterienverbindung hergestellt ist. Bei der Operation nehmen wir anschliessend auch auf der andere Seite die Lunge heraus. Der Patient wird dann bereits mit der neuen Lunge beatmet.
Herr Padrutt ist der 400. Patient, der bei Ihnen eine neue Lunge erhielt. Ist er einer der ältesten?
Von den Patienten, die die gleiche Erbkrankheit haben, ist er tatsächlich einer der ältesten. Patienten mit anderen Krankheitsursachen haben wir ausnahmsweise bis mit fast 70 Jahren transplantiert. Ab 60 ist eine Lungentransplantation kritisch. Das Spektrum bei der Cystischen Fibrose, der Krankheit von Peter Padrutt, liegt eher zwischen 15 und 30 Jahren.
Kann Herr Padrutt wieder arbeiten?
Aber sicher. Er sollte das unbedingt tun. Nicht gerade in den ersten sechs Monaten nach der Transplantation. Das Immunsystem muss zuerst wieder aufgebaut werden. Auch der Muskelaufbau braucht Zeit. Aber möglich ist vieles: Ein 65-jähriger Ex-Patient von mir geht jedes Jahr an den New-York-Marathon. Er war auch mehrere Male auf dem Kilimandscharo.
Sie transplantierten 1992 erstmals in der Schweiz eine Lunge. Erinnern Sie sich noch an den Patienten?
Ja, sehr gut. Es war eine etwa 35-jährige Frau aus St. Gallen. Sie konnte das Spital nach einem Monat verlassen. Sie ist leider mehrere Jahre später verstorben. Ich erinnere mich auch sehr gut an eine 18-jährige Patientin, die ich kurze Zeit später operierte. Als wir eine Spenderlunge hatten, wollte sie zuerst nicht mehr. Sie habe «Todesangst», sagte sie mir nachts am Telefon. Sie sprach dann mit ihrer Mutter und kam darauf mit der Ambulanz ins Spital. Sie geniesst heute ihr Leben – also 20 Jahre später.
Was empfinden Sie, wenn ein Patient stirbt, bevor eine Spenderlunge für ihn gefunden wurde?
Das ist immer tragisch. Besonders bei Kindern und Jugendlichen berührt uns ein solches Schicksal sehr. Ich erinnere mich an einen Vater, der voller Hoffnung mit seinem siebenjährigen Sohn bei uns war. Drei Wochen später starb er. Eine geeignete Spenderlunge konnte nicht rechtzeitig gefunden werden.
Haben Sie nach so vielen Transplantationen noch weitere Ziele?
Ja, sicher. Ich habe noch grosse Visionen. Ich möchte die Lungenmedizin in den nächsten Jahren stark vorantreiben. Wir haben hier in Zürich grossartige Teams für die Lungenforschung. Die Lungenmedizin muss in der Schweiz eine weit grössere Bedeutung erhalten.