Osteuropäische Banden bilden Einbrecher aus - Die Abgänger der kriminellen «Akademie» lassen die Polizei alt aussehen
Gangster mit Diplom

Osteuropäische Banden bilden Räuber an einer «Akademie» aus. Bei uns wenden sie das Gelernte an – wie in der Bijouterie von Johannes Maag.
Publiziert: 22.03.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 10.10.2018 um 01:50 Uhr
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Johannes Maag, Inhaber der Bijouterie, wurde bereits zum dritten Mal Opfer eines Überfalls.
Foto: Sabine Wunderlin
Von Cyrill Pinto

Der junge Mann trug Brille, Anzug und einen bunt gestreiften Schal. «Er sah ganz normal aus», erinnert sich der Johannes Maag (55), Inhaber der Bijouterie Zinniker in Zollikon ZH. Eine Lehrtochter öffnet dem vermeintlichen Kunden am letzen Dienstag die Tür. Da zeigt der Mann sein wahres Gesicht: Brutal stösst er die 17-Jährige zu Boden, drückt ein Bein auf sie, damit sie nicht aufstehen kann. Drei weitere Männer stürmen in den Laden. Es ist 9.41 Uhr. Überwachungskameras zeichnen den Überfall auf.

Maag ist zu diesem Zeitpunkt im Hinterzimmer. Er erledigt Büroarbeiten. Plötzlich hält ihm ein Mitglied der Bande die Pistole vors Gesicht, fesselt den Uhrmachermeister mit Handschellen und besprüht ihn mit Reizgas. Maag: «Es war grauenvoll!»

Wehrlos muss er mitansehen, wie die Räuber sein Geschäft plündern. Mit Hämmern zertrümmern sie Vitrinen und Schaufenster. Uhren und Schmuck packen sie in eine mitgebrachte Tasche. Die Beute hat einen Wert von rund 100000 Franken. Nach nicht einmal drei Minuten ergreifen sie die Flucht. Alles scheint genau geplant: Beim nahen Schulhaus haben sie zuvor vier Velos geknackt und bereitgestellt. Schnell verliert sich ihre Spur. Die Fahndung der Polizei bleibt bis heute erfolglos.

«Das war eine professionelle Bande», sagt Maag. Schon zum dritten Mal wurde sein Laden überfallen, von organisierten Räuberbanden aus dem Ausland. Sie sind regelmässig in der Schweiz auf Beutezug, haben es vor allem auf teure Bijouterien abgesehen.

Für ihre Raubzüge werden die Täter speziell ausgebildet. Ein Handbuch, das die rumänische Polizei im letzten Jahr fand, zeigt, wie eine sogenannte «Akademie» des osteuropäischen Landes Räuber schult.

Potenzielle Mitglieder müssen zwischen 18 und 26 Jahre alt und mindestens 1,60 Meter gross sein. Wer diese Kriterien erfüllt, unterschreibt einen Vertrag, mit dem er sich für zehn Jahre als professioneller Räuber verpflichtet. Mit der Unterschrift bestätigt er auch,  sich der Gefährlichkeit seines Handelns bewusst zu sein. Im Handbuch explizit aufgeführt sind etwa Gefängnisstrafen, Unfälle nach der Tat und das Risiko, dass Polizisten auf die Straftäter schiessen.

Ganz oben in der Hierarchie steht der Chef. Er befehligt sogenannte Offiziere, die wiederum die Einbrecher dirigieren. Wer einen Befehl missachtet, muss vor eine Kommission treten und mit harten Strafen rechnen. Militärischer Drill, so das Kalkül der Ausbildner, macht die Absolventen der kriminellen Akademie zu schwer besiegbaren Gegnern für die europäische Polizei. Auch Fitness schreiben die Profi-Räuber gross: Um Schwächeanfällen auf der Flucht vorzubeugen, müssen die Einbrecher einen strengen Trainingsplan einhalten – und täglich je 200 Liegestützen, Rumpfbeugen sowie einen Crosslauf von mindestens zehn Kilometern absolvieren.

Das Bundesamt für Polizei (Fedpol) in Bern weiss, wie gut die Einbrecher aus Osteuropa ausgebildet sind. «Die Schweiz hat seit Anfang 2014 Kenntnis von der ‹Akademie›», sagt Fedpol-Sprecher André Callegari. Gegen die Gangster mit Diplom haben Schweizer Bijoutiers kaum eine Chance.

«Die Räuber werden immer brutaler und dreister», sagt Johannes Maag. Auch die Strafen in der Schweiz schreckten sie nicht ab: Die letzten beiden Male kamen die Räuber, die seine Bijouterie überfielen, aus Ser­bien. «Für diese Leuten sind die Strafen hier lächerlich», sagt Maag. «Ihnen geht es im Gefängnis besser als zu Hause.»

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Aufrüsten gegen Räuber

Der frühere Polizist Alfred Weber (70) führt im Auftrag des Schweizer Dachverbands der Goldschmiede und Uhrenfachgeschäfte regelmässig Sicherheitstrainings durch. Er sagt: «Überfälle sind nicht zu verhindern.» Man könne aber einen Überfall erschweren. Indem man Schleusen an den Eingangstüren anbringe oder die Schaufenster mit Sicherheitsglas schütze. Gerate man in einen Überfall, solle man sich auf den Boden legen. «Auf keinen Fall soll man die Ware schützen.» Weber rät, den Räubern nicht in die Augen zu schauen. So sei es leichter, den Überfall psychisch zu verarbeiten. Ausserdem fühlten sich die Räuber durch Blickkontakt provoziert. In der Zürcher Bahnhofstrasse sei erst Ruhe eingekehrt, seitdem dort ein privater Sicherheitsdienst patrouilliere. «Das erschwert die Arbeit der Banden.»

Der frühere Polizist Alfred Weber (70) führt im Auftrag des Schweizer Dachverbands der Goldschmiede und Uhrenfachgeschäfte regelmässig Sicherheitstrainings durch. Er sagt: «Überfälle sind nicht zu verhindern.» Man könne aber einen Überfall erschweren. Indem man Schleusen an den Eingangstüren anbringe oder die Schaufenster mit Sicherheitsglas schütze. Gerate man in einen Überfall, solle man sich auf den Boden legen. «Auf keinen Fall soll man die Ware schützen.» Weber rät, den Räubern nicht in die Augen zu schauen. So sei es leichter, den Überfall psychisch zu verarbeiten. Ausserdem fühlten sich die Räuber durch Blickkontakt provoziert. In der Zürcher Bahnhofstrasse sei erst Ruhe eingekehrt, seitdem dort ein privater Sicherheitsdienst patrouilliere. «Das erschwert die Arbeit der Banden.»

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