Val Rezzo nimmt pro Jahr nur 5417 Euro Steuern ein
Das ärmste Dorf Italiens – weil alle in der Schweiz arbeiten

Trotz 178 Einwohnern nimmt Val Rezzo im Jahr 2015 gerade mal 5417 Euro an Steuern ein. Dies liegt an den Grenzgängern.
Publiziert: 30.04.2016 um 16:00 Uhr
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Aktualisiert: 09.10.2018 um 02:46 Uhr
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Das 178-Seelen-Dorf grenzt an die Schweiz.
Foto: Yvonne Leonardi
Myrte Müller (Text) und Yvonne Leonardi (Fotos)

Sie liegt nicht auf Sizilien, auch nicht in Kalabrien.  Italiens ärmste Gemeinde befindet sich oberhalb des Luganersees – nur einen Steinwurf von der Schweiz entfernt.

Im letzten Jahr nahm das 178-Seelen-Dorf ganze 5417 Euro Steuern ein. «Das reicht vorne und hinten nicht», sagt Ivan Puddu (36), der Bürgermeister von Val Rezzo (I).

Grund der Misere: «Bei uns leben 60 Grenzgänger. Die zahlen ihre Steuern in der Schweiz. Ein Teil der Quellensteuer geht nach Rom. Doch bis davon etwas zu uns kommt, vergehen Jahre», sagt Puddu. «In Rom denken die Beamten, wir seien reiche Grenzgänger und bräuchten keine Unterstützung.» Ohne die regionale Finanzhilfe aus dem Konsortium für Gewässerwirtschaft, an der viele Nachbargemeinden beteiligt seien, sähe es in Val Rezzo noch viel düsterer aus, so Puddu.

Seit sieben Jahren führt der Landschaftsvermesser die kleine Gemeinde: «Für das Amt muss man ein Allrounder sein. Maurer, Elektriker, Sanitär.» Als es ins Rathaus regnet, steigt der Bürgermeister selbst auf die Leiter und flickt das Dach. Ist der Abfluss verstopft, legt er Hand an. Genauso beim Putzen der Wanderwege. Und am Dorffest steht er am Herd. Polenta und Brasato sind gespendet.

Die Kirche ist geschlossen. Es gibt keinen Priester mehr. Über 20 Kinder leben in Val Rezzo. ­«Eigene Lehrer können wir nicht bezahlen. Die Schüler bringen wir in den Nachbarort», sagt Puddu. Nur eine Angestellte leistet sich die Gemeinde, dazu einen Teilzeit-Arbeiter. «Liegen Investitionen an, müssen wir sparen», so Puddu. «Für die Sanierung des Dorfbrunnens brauchten wir drei Jahre.»

Doch Val Rezzo hat einen Traum. «Wir wollen Touristen und Investoren anlocken», sagt Ivan Puddu. Nur zehn Kilometer sind es zum Luganersee, dort wo die Villen der Reichen liegen. Die Schweizer Grenze könne man zudem zu Fuss erreichen.

Das einstige Schmugglernest verfüge über verlassene Kasernen der ehemaligen italienischen Grenzwacht. Die verfallenen Gebäude seien bestens für ein Bed and Breakfast geeignet, sagt der Bürgermeister: «Die grösste und schönste würden wir für 60'000 Euro verkaufen. Ein Schnäppchen!»

Val Rezzo ist in bester Gesellschaft. Die zweitärmste Gemeinde Italiens heisst Cavargna und liegt gleich nebenan. Gefolgt von den verarmten Dörfern Cursolo-Orasso, Gurro und Falmenta. Alle drei in einem Seitental am Lago Maggiore.

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