Der Bau der A9 im Oberwallis sollte ursprünglich 2,1 Milliarden Franken kosten. Mittlerweile jedoch rechnen die Verantwortlichen mit fast vier Milliarden für das rund 35 Kilometer lange Stück Strasse.
Pannen und Missmanagement behindern den Bau. Jüngstes Beispiel: Beim Bau des Eyholz-Tunnels verwendeten die zuständigen Baufirmen trotz klarer Vorgaben in der Ausschreibung minderwertigen Beton. Das stellte die Bauleitung bei der abschliessenden Kontrolle fest. Der Beton der Zwischendecke musste deshalb auf einer Länge von 600 Metern abgebrochen und erneuert werden.
Nachforderungen in Millionenhöhe
Statt für ihren Fehler geradezustehen, stellte die Arbeitsgemeinschaft Haupttunnel Eyholz (Arge AHE), zu der die Bauunternehmen Frutiger AG, Interalp Bau AG, CSC und Jäger gehören, eine happige Nachforderung: Rund 20 Millionen Franken verlangten sie im Mai 2012. Und nicht nur das: Weil die Geologie beim Ausbruch der Tunnelröhren angeblich komplexer gewesen sei als vorgesehen, sei der Aufwand wesentlich höher gewesen. Auch dafür stellte die Arge AHE 2013 eine Nachforderung – ebenfalls in Höhe von rund 20 Millionen Franken.
Zunächst wollte das kantonale Amt für Nationalstrassenbau (ANSB) die Rechnungen nicht einfach so bezahlen. Es setzte zwei Mediatoren ein, auf deren Empfehlung hin der Kanton die Nachforderungen massiv reduzierte. «Die Bereinigung der Nachforderung beschäftigt seit längerem die Vertragspartner, und es konnte keine partnerschaftliche Lösung gefunden werden», heisst es im Schreiben des Kantons an die Bauleitung im Sommer 2014.
Trotzdem befiehlt ANSB-Chef Martin Hutter (50) die Überweisung: 8,64 Millionen Franken für die Probleme bei der Geologie, 4,4 Millionen für den minderwertigen Beton flossen auf das Konto der Bauunternehmen. Auf den Zahlungsbelegen, die SonntagsBlick vorliegen, fehlt die Unterschrift der örtlichen Bauleitung: «Wird von der öBL nicht unterschrieben», steht dort stattdessen.
Experten beim Bund mit vernichtendem Urteil
Das Bundesamt für Strassen, die Aufsichtsbehörde über das ANSB, erhielt erst später Kenntnis von der Nachzahlung und beauftragte daraufhin zwei Experten, die Vorgänge zu überprüfen. Deren Urteil im Revisionsbericht vom Juli 2014 ist hart: «Der Bauherr (gemeint ist der Kanton, die Red.) nimmt seine Führungsaufgabe im gesamten Projekt nicht wahr.» Auch die Zahlung der Nachforderung kritisieren die Experten: «Einmal mehr wurde eine grössere Zahlung ausgelöst, ohne dass entsprechende Ausmasse oder Belege vorlagen.»
Zudem liess das Astra die Nachforderungen durch zwei weitere Fachleute prüfen. Deren Berichte vom November 2015 und Januar 2016 liegen SonntagsBlick vor. Zur Nachforderung in Sachen minderwertigen Betons heisst es darin: «Bei keiner der geprüften Teilnachforderungen besteht ein begründeter Anspruch auf eine Vergütung.» Die zweite Nachforderung aufgrund der veränderten Geologie müsste nach Ansicht der Experten erheblich reduziert werden. Insgesamt wurden den Bauunternehmen gemäss den SonntagsBlick vorliegenden Abrechnungen rund zehn Millionen Franken zu viel ausbezahlt.
Im Hintergrund hat nun ein Tauziehen um die Millionen begonnen. Auf Anfrage stellt sich das Astra auf den Standpunkt: «Die Schlussrechnung wurde noch nicht erstellt und der Garantierückbehalt noch nicht ausbezahlt», so Sprecher Guido Bielmann. Die beiden Geschäfte seien deshalb noch nicht abgeschlossen. Der vorliegende Fall zeige zudem, dass das Astra mit den Kontrollen seine Aufgabe der Oberaufsicht wahrnehme und rechtzeitig eingreife.
Risiko von Rechtsstreit und Bauverzögerungen
Doch hinter den Kulissen verlangt das Astra vom Kanton, für den entstandenen Schaden aufzukommen. Martin Hutter, Chef des kantonalen Amts für Nationalstrassenbau, sagt: «Die angesprochenen Geschäfte sind noch nicht abgeschlossen und stehen zurzeit zwischen dem ANSB und dem Astra in Diskussion.» Auch die Firma Frutiger AG hält in einer schriftlichen Stellungnahme im Namen der Arbeitsgemeinschaft fest: «Es trifft zu, dass Nachforderungen im Raum stehen – deren Bereinigung ist noch nicht abgeschlossen.»
Doch so einfach ist das nicht, weiss eine Quelle, die anonym bleiben möchte: «Hat der Bauherr die Nachvergütung unterzeichnet und provisorisch überwiesen, kann er diese nicht einfach mit anderen Positionen verrechnen.» Sonst riskiere er einen teuren Rechtsstreit – und weitere Verzögerungen beim Autobahnbau.
Inzwischen wurde auch die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) auf die Unregelmässigkeiten bei der A9 aufmerksam. In den letzten Wochen führten die Kontrolleure des Bundes Befragungen durch. Auch zu den Unregelmässigkeiten beim Hauptlos Eyholz stellten die Inspektoren des Bundes Fragen. EFK-Mandatsleiter Robert Scheidegger sagt: «Die Prüfung läuft, daher gibt die EFK keine Auskünfte über Inhalte.» Das Resultat des Prüfungsberichts werde im November der Finanzdelegation unterbreitet und anschliessend veröffentlicht.