Nach elf Jahren hat Christoph Meili genug von den USA
«Ich komme heim in die Schweiz – für immer»

1997 stürzte er die UBS in einen Skandal und verliess seine Heimat. Heute will Christoph Meili nur noch eines: zurück.
Publiziert: 28.03.2009 um 23:33 Uhr
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Aktualisiert: 11.10.2018 um 01:10 Uhr
Von Romina Lenzlinger aus Los Angeles und Beat Kraushaar

Freitagabend, Los Angeles International Airport: Wehmütig blickt Christoph Meili (41) einer Swiss-Maschine nach, bis diese in den Wolken verschwunden ist. «In so einer sitze ich diese Woche auch. Elf Jahre Amerika sind genug. Ich komme heim, heim in die Schweiz – für immer.» Als könnte man an seinen Worten zweifeln, zieht er das Flugticket aus der linken Hosentasche.

Für das 450-Franken-Billett musste er sein Konto überziehen. Den Job bei einer Sicherheitsfirma habe er vor vier Tagen gekündigt; sein Rucksack sei gepackt. Mehr als ein paar Unterhosen, Socken und eine warme Jacke nehme er nicht mit.

Meili ist völlig am Ende. Von der Viertelmillion Dollar, die er 2003 aus dem Bankenvergleich erhielt, ist kein Cent mehr übrig: «Der Umgang mit Geld ist nicht gerade meine Stärke.» Für 15 Dollar in der Stunde schuftete er seit 2007 als Nachtwächter – das war nicht genug zum Leben. In ihrer Not zogen Meili und seine jetzige Ehefrau Grace (41) zu Graces Eltern nach Orange County.

Hier leben sie mehr schlecht als recht mit dem Sohn Simon (4) in einem Zimmer. «In Amerika gibts kein Sozialsystem wie in der Schweiz», sagt Meili verzagt. «Ohne die rund 900 Franken, die meine Schwiegereltern jeden Monat überweisen, kämen wir gar nicht über die Runden.»

Den Beschluss, endgültig in die Schweiz zurückzukehren, fasste er vor zwei Monaten. Den Ausschlag gab eine Sehstörung, die eine Notfalleinweisung ins Spital nötig machte. Für die Rechnung von 900 Franken hatte Meili nicht mehr genug auf dem Konto. Resigniert sagt er: «Da riss es mir den Boden unter den Füssen weg. Ich wollte nur noch heim. In die Schweiz! Nicht zuletzt wegen meiner Mutter. Sie stürmt schon lang, dass ich wieder nach Hause kommen soll. Früher habe ich nie auf sie gehört. Heute weiss ich, dass sie mit ihren Ratschlägen meistens recht gehabt hat...»

In seiner Not plante Meili sogar, für den Neustart in der Schweiz wieder zu seiner Mutter in den Thurgau zu ziehen. Inzwischen hat ihm ein Kollege in seiner Wohnung «Asyl» angeboten. Meili hofft, möglichst rasch Arbeit zu finden. Denn eines will der gelernte Radio- und TV-Verkäufer auf keinen Fall: Unterstützung vom Staat. Sein Ziel, sagt er, ist «arbeiten und ein richtig ruhiges Bünzlileben führen. Ich putze wenn nötig auch Toiletten.»

Am liebsten aber würde er in einem Laden TV-Geräte verkaufen: «Eine Win-win-Situation – die Leute würden mich sehen wollen und den Laden stürmen.» Er weiss aber auch, dass das Gegenteil geschehen kann: dass er auf offener Strasse beschimpft wird. Meilis grösste Angst: immer noch als Verräter zu gelten.

«Doch ich habe keine Wahl. Ich muss da jetzt einfach durch», meint er trotzig. Schliesslich bereue er nichts. Er würde wieder so handeln wie im Januar 1997. Damals fand er als Wachmann hochbrisante Dokumente über Guthaben von durch die Nazis getöteten Kontoinhabern. Er rettete die Unterlagen vor dem Schredder der UBS, spielte sie der jüdischen Gemeinde zu und löste einen internationalen Skandal aus. Ein Jahr später sahen sich die Schweizer Banken gezwungen, 1,25 Milliarden Franken zur Entschädigung von Opfern der Nazi-Herrschaft auszuzahlen.

Er wurde von vielen als Held gefeiert, weiss aber auch, dass er Fehler gemacht hat: «Mit 29 war ich sehr jung – und unglaublich naiv.» Oft habe er den falschen Leuten vertraut, zu hoch gepokert und am Ende alles verloren: seinen Job, seine Familie und sein letztes Geld. Dass die UBS immer noch nicht gelernt hat, anständig zu wirtschaften, darüber schüttelt er den Kopf: «Ich dachte, die hätten aus meinem Fall ihre Lehren gezogen.»

So kurz vor der Rückreise plagen ihn aber andere Sorgen. Er wird seine Kinder Mirjam (16) und Davide (14) sowie Exfrau Giuseppina, die er noch immer liebt, in den USA zurücklassen. Sie wissen bis heute nichts von seinen Plänen. «Wahrscheinlich haue ich einfach ab, ohne etwas zu sagen.» Auch ob er seine jetzige Frau Grace und seinen Sohn Simon später in die Schweiz nachholt, weiss er noch nicht.

Es scheint, dass Meili die USA genauso verlässt wie 1997 die Schweiz: fluchtartig. Am Montag wird er seinen Van verkaufen. 4700 Dollar hat ihm der Händler versprochen. Damit will Meili seine Fiskalschulden begleichen. Lachend sagt er: «Ich will ja nicht als Steuerflüchtling in die Schweiz zurückkehren.»

Der Fall Meili
8. Januar 1997: Wachmann Christoph Meili schmuggelt aus dem UBS-Schredderraum zur illegalen Vernichtung bereitgestellte Dokumente aus der Nazi-Zeit heraus. Meili wird darauf von jüdischen Organisationen zum Helden gekürt. In der Schweiz gilt er hingegen als Verräter.

25. Januar 1997: UBS-Bankchef Robert Studer wirft Meili in einer «Arena»-Sendung vor, nicht aus ethischen Gründen gehandelt zu haben. Der Ex-Wachmann reichte daraufhin Klage wegen Persönlichkeitsverletzung ein.

6. Mai 1997: Meili ist in die USA geflüchtet. Dort wird er vom Bankenausschuss des US-Senats zu seiner UBS-Aktenrettung befragt.

16. September 1997: Meili besucht Israel. Schüler feiern den heroischen Aktenretter frenetisch.

November 1999: Meili wohnt mit seiner Frau Giuseppina und seinen zwei Kindern im kalifornischen Orange. An der Chapman University studiert er Kommunikationswissenschaften.

November 2001: Meilis Ehe geht in die Brüche. Ehefrau Giusi stellt ihn auf die Strasse. Weil er sie angeblich bedrohte, rief sie die Polizei. Das Gericht sprach Meili frei. Doppelt schlimm: Unterdessen zog der neue Liebhaber seiner Frau in die Wohnung.

März 2003: Meili bekommt Geld aus dem Bankenvergleich. Doch seine Scheidung wird teuer. Unter dem Strich bleibt ihm eine Viertelmillion Dollar.

Juni 2004: Meili hat mit Grace Cho eine neue Liebe gefunden. Im August 2004 wird er Vater eines Sohnes.

14. Mai 2005: Meili wird US-Bürger und legt seinen Schwur auf die amerikanische Verfassung ab.

November 2006: Meili dreht einen Kurzfilm über sich selbst. Mit einer Bierflasche in der Hand begrüsst er die Zuschauer. Dann zeigt er seine Wohnung und sein Hybridauto.

März 2009: Meili hat genug von den USA. Er kommt demnächst heim in die Schweiz – für immer, wie er sagt.
8. Januar 1997: Wachmann Christoph Meili schmuggelt aus dem UBS-Schredderraum zur illegalen Vernichtung bereitgestellte Dokumente aus der Nazi-Zeit heraus. Meili wird darauf von jüdischen Organisationen zum Helden gekürt. In der Schweiz gilt er hingegen als Verräter.

25. Januar 1997: UBS-Bankchef Robert Studer wirft Meili in einer «Arena»-Sendung vor, nicht aus ethischen Gründen gehandelt zu haben. Der Ex-Wachmann reichte daraufhin Klage wegen Persönlichkeitsverletzung ein.

6. Mai 1997: Meili ist in die USA geflüchtet. Dort wird er vom Bankenausschuss des US-Senats zu seiner UBS-Aktenrettung befragt.

16. September 1997: Meili besucht Israel. Schüler feiern den heroischen Aktenretter frenetisch.

November 1999: Meili wohnt mit seiner Frau Giuseppina und seinen zwei Kindern im kalifornischen Orange. An der Chapman University studiert er Kommunikationswissenschaften.

November 2001: Meilis Ehe geht in die Brüche. Ehefrau Giusi stellt ihn auf die Strasse. Weil er sie angeblich bedrohte, rief sie die Polizei. Das Gericht sprach Meili frei. Doppelt schlimm: Unterdessen zog der neue Liebhaber seiner Frau in die Wohnung.

März 2003: Meili bekommt Geld aus dem Bankenvergleich. Doch seine Scheidung wird teuer. Unter dem Strich bleibt ihm eine Viertelmillion Dollar.

Juni 2004: Meili hat mit Grace Cho eine neue Liebe gefunden. Im August 2004 wird er Vater eines Sohnes.

14. Mai 2005: Meili wird US-Bürger und legt seinen Schwur auf die amerikanische Verfassung ab.

November 2006: Meili dreht einen Kurzfilm über sich selbst. Mit einer Bierflasche in der Hand begrüsst er die Zuschauer. Dann zeigt er seine Wohnung und sein Hybridauto.

März 2009: Meili hat genug von den USA. Er kommt demnächst heim in die Schweiz – für immer, wie er sagt.
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