Mutter von Pfadiführerin Pasquale Brumann (†) über Hafturlaube
«Der Mann hätte nicht sterben müssen»

Dass mit Tobias Kuster möglicherweise wieder ein Sträfling auf Hafturlaub in ein Tötungsdelikt verwickelt ist, weckt Erinnerungen an einen der grössten Justiz-Skandale der Schweiz.
Publiziert: 05.07.2016 um 20:22 Uhr
|
Aktualisiert: 01.10.2018 um 01:26 Uhr
1/5
Erich Hauert 1996 beim Verlassen eines Polizeiautos vor dem Zürcher Obergericht.
Foto: Keystone

Es ist der 1. November 1993. In den katholischen Kantonen der Schweiz wird an diesem Datum Allerheiligen gefeiert. In Zürich hingegen endet an diesem Tag eine gross angelegte Suchaktion der Polizei. Sie konnte den wegen elf Vergewaltigungen und zwei Sexualmorden zu lebenslanger Zuchthausstrafe verurteilten Erich Hauert stellen.

Wenig später sollte ein Geständnis zeigen: In der Zwischenzeit war noch ein weiterer, brutaler Mord dazugekommen. Hauert erhielt trotz seiner schweren Verbrechen mehrmals unbegleiteten Hafturlaub.

So auch am 29. Oktober 1993. Ein Tag darauf begeht er die nächste schreckliche Tat. Sein Opfer: die damals 20-jährige Pfadiführerin Pasquale Brumann. Ihre Leiche wird nackt und mit mehreren Messerstichen in den Hals im Waldboden verscharrt auf dem Zollikerberg gefunden.

«Der Kampf hat sich gelohnt»

Seit der 23-jährige Tobias Kuster ebenfalls im Verdacht steht, einen Hafturlaub am vergangenen Donnerstag für ein Tötungsdelikt genutzt zu haben, ist der «Fall Hauert» wieder präsent. Jeannette Brumann, die Mutter des damaligen Opfers, betont aber: «Es gibt klare Unterschiede.» So sei im Fall von Tobias Kuster nach Vorschrift vorgegangen worden. Erich Hauert hingegen hätte sein Leben lang weggesperrt gehört.

Im Interview mit Radio Energy gibt Brumann jedoch zu, dass sie die Suchaktion nach Tobias Kuster an die Zeit im Winter 1993 erinnert. Allerdings sei die Justiz heute zum Glück an einem anderen Ort als noch vor gut 20 Jahren. «Der Kampf hat sich gelohnt. Besonders bei schweren Tätern schaut man heute genauer hin.»

Es wird nie eine Garantie geben

Das wirkliche Risiko seien Täter, die sich in einer Grauzone befänden, sagt Brumann. «Hier muss man zwei-, dreimal hinschauen.» Aber, so stellt Brumann nüchtern fest, selbst dann wird es nie eine Garantie geben, dass es nicht zu wieder zu einer solchen Tat kommt. Durch das Tötungsdelikt im Zürcher Seefeld zeigt sich auch Brumann betroffen: «Der Mann hätte nicht sterben müssen.»

Mit dem traurigen Schicksal ihrer Tochter hat Jeannette Brumann zwar abgeschlossen, ein Vergessen sei aber unmöglich. Immerhin: Nicht zuletzt wegen der Taten von Hauert fand im Land ein Umdenken beim Umgang mit Sexualstraftätern statt.

Vor knapp zwölf Jahren sagt das Schweizer Stimmvolk denn auch mit klarer Mehrheit Ja zur Volksinitiative «Lebenslange Verwahrung für nicht therapierbare, extrem gefährliche Sexual- und Gewaltstraf­täter». (cat)

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?