Mit einem möglichst bildlichen Beispiel stimmt der Vorgesetzte der Schweizer Armee seine Truppe auf die Schiessübung ein. Die Soldaten seien von ihren Freundinnen betrogen worden und hätten ihre Partnerin auf frischer Tat ertappt. Dann die Frage: «Was machen Sie?» Wie auf Knopfdruck rattern die Sturmgewehre, und die Kugeln fliegen auf die Zielscheiben.
BLICK zeigte die Szenen dem 54-jährigen Psychologen Hubert Annen. An der Militärakademie der ETH Zürich ist Annen Dozent für Militärpsychologie und Militärpädagogik. Er bekleidet zudem den Rang eines Oberst in der Schweizer Armee.
BLICK: Herr Annen, was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie die Aufnahme sehen?
Hubert Annen: Ich ärgere mich über das Video, denn es gibt ein ungünstiges Bild nach aussen ab. Unsere Armee und folglich ihre Kader sollen in erster Linie für gesunden Menschenverstand und Schweizer Tugenden stehen. Dieses Video entspricht aber nicht diesen Werten. Leider lässt sich aber kaum verhindern, dass solche Dinge passieren.
Wie kommt denn ein Vorgesetzter dazu, einen solchen Befehl auszusprechen?
Übungen wie diese werden oft von jungen Kadern durchgeführt. Womöglich hat der Mann als Rekrut selber einen ähnlichen Befehl erhalten und dachte wohl, dass er mit dem Spruch gut ankommen würde bei den Soldaten.
Aber widerspricht das nicht der militärischen Ausbildung der Vorgesetzten?
Natürlich versucht man, angehende Kader in der Führungsausbildung auf solch kritische Situationen zu sensibilisieren und ihnen die Grenzen aufzuzeigen. Man sollte nun aber auch nicht in Panik verfallen. Die Äusserung fiel wahrscheinlich aus einem unüberlegten Moment heraus. Die Situation ist erklärbar, aber ganz sicher nicht entschuldbar.
Das Video bestätigt das Klischee einer Armee von Rambos mit derben Sprüchen.
Natürlich ist das Umfeld in der Armee männlich geprägt. Und wenn man 24 Stunden immer in einer Gruppe ist, prägt einen das. Gerade in der Schweizer Armee findet sich eine besonders grosse Bandbreite von Leuten. Doch das muss keineswegs nur schlecht sein. Der militärische Alltag gibt auch die Möglichkeit, positive Aspekte wie Zusammenhalt und Kameradschaft zu betonen und zu fördern.
Wie sollte die Armee Ihrer Meinung nach auf die Szene reagieren?
Offenbar wurde die verantwortliche Person mittlerweile ausfindig gemacht. In erster Linie ist es wichtig, dass der Vorgesetzte mit der Szene konfrontiert wird und sich bewusst wird, was er mit solchen Aussagen bewirkt. Er soll lernen, wie er seine Unterstellten auf vernünftige Weise motivieren kann.