Seit 37 Tagen hat Massimo M.* (26) seinen Bruder Salvatore M.* (18) nicht mehr gesehen. Der junge Mann aus St. Gallen zog nach Syrien in den Heiligen Krieg. Bereit, den Märtyrertod zu sterben.
Es ist der symbolträchtige 11. September 2014, als Salvatore verschwindet. Kurz vor seinem 18. Geburtstag. «Um 7.30 Uhr war er auf WhatsApp zum letzten Mal online», sagt Massimo M. Sein Zimmer habe ausgesehen wie immer. Der junge Elektromonteur-Stift liess einzig seine Arbeitskleider und die Schuhe zurück, legte sie zusammengebündelt in den Kleiderschrank. Einen Tag später kommt eine weitere Meldung via Facebook.
«Ich bin in einem Seminar in Wien und bin am Sonntagabend zurück», schreibt Salvatore M. Ob die Nachricht tatsächlich von ihm stammt, ist unklar. Die Familie glaubt, dass ihn jemand gezwungen hat: «Sonst schrieb er immer auf Italienisch.»
Als Salvatore M. am Sonntag noch nicht zurück ist, schickt Massimo M. einem türkischen Freund seines Bruders ein SMS. «Wir wussten, dass er mit Salvatore unterwegs ist. Nach vielen Ausreden haben wir schliesslich erfahren, dass Salvatore nach Syrien gereist war», sagt Massimo M. «Ich mache mir grosse Sorgen. Er ist da in etwas hineingeraten, das er nicht wollte. Ich habe ihn heimlich weinen sehen. Und jetzt schafft er es nicht mehr zurück.»
Mittlerweile meldet sich Salvatore M. alle paar Tage per SMS und bestätigt, es gehe ihm in Syrien gut. «Er sagt, er wolle für Allah sterben.»
Alles fing im Sommer vor einem Jahr an. Plötzlich veränderte sich der Teenager komplett. Einst gläubiger Katholik mit italienischen Wurzeln, riss er plötzlich alle Kreuze von den Wänden, verbannte seine Rosenkränze und konvertierte zum Islam. Massimo M. hielt das für einen Witz, für die schlechte Phase eines Teenagers.
Doch Salvatore M. meinte es ernst. Er liess sich einen Bart wachsen, trug islamische Kopfbedeckungen und lange braune Gewänder. Er las im Koran, studierte die arabische Schrift und besuchte immer häufiger eine Moschee. «Ich kam nicht mehr an ihn heran. Die haben ihm eine Hirnwäsche verpasst.» Einmal begleitete er den jüngeren Bruder in die Moschee. Sofort hätten ihn die Gläubigen missionieren wollen, sagt der gelernte Maurer Massimo M. «Ich musste auf den Boden knien und zu Allah beten.» Als er die verheissene Erfüllung nicht fand, drohten ihm die Muslime offen, er komme in die Hölle. Nur für Muslime gebe es Erlösung im Paradies.
Massimo M. war nicht beeindruckt. Es gelang ihm aber auch nicht, Salvatore zur Vernunft zu bringen. «Er war ein Goldjunge. Und jetzt will er für Allah sterben. Das glaube ich einfach nicht!» Er macht sich Vorwürfe. «Ich habe alles versucht, aber es war nicht genug.»