Als Leiter der Organisation «wuestenstromCH» hilft Rolf Bietmann anderen Schwulen, hetero zu werden oder um es mit seinen Worten zu sagen: Er begleitet Menschen, «die ihre Homosexualität konflikthaft erleben und eine Veränderung suchen».
Die Formulierung ist mit Bedacht so sorgfältig gewählt. Überhaupt gibt sich Rietmann grosse Mühe, keinesfalls den Verdacht zu wecken, gegen Schwule zu sein und diese aus moralischen Gründen «umpolen» zu wollen. «Ich verabscheue jede Art von Diskriminierung», sagt Rietmann dann auch gern – unlängst auch gegenüber «Gay.ch». Das Schweizer Schwulen-Magazin hat Rietmann und seiner Theorie, wonach Homosexuelle heterosexuell werden können und umgekehrt, bewusst viel Platz eingeräumt: «Durch den Freiraum, der während dem Gespräch gegeben war, erfährt der Leser mehr über diese umstrittene Thematik, welche wir bewusst wertfrei angepackt haben, um ein möglichst reales Resultat zu erreichen», halten die Macher dazu fest.
Herausgekommen ist ein interessantes Gespräch – das den umstrittenen Sex-Berater trotz langen Ausführungen nicht wirklich greifbar macht. Zusammengefasst hält Rietmann gegenüber dem schwulen Interviewer fest, dass er für mehr Toleranz für seine Gefühle und seinen Weg kämpfe; also für Schwule, die unter ihrem Schwulsein leiden und sich ändern wollen. «Aus einem alten Denkverbot ist ein neues geworden», klagt Rietmann, der sich 2005 politisch gegen die Homo-Ehe engagierte. Damals hielt der Verein Wüstenstrom die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare unter anderem für unnötig, weil «die meisten Homosexuellen keine verbindliche und treue Partnerschaft leben».
«Ich empfand Schmach und Bestrafung»
Er habe seine homosexuellen Gefühle als Schmach und Bestrafung empfunden, erzählt Rietmann zu einer anderen Zeit als Gastredner vor einer freikirchlichen Gemeinde: «Ich betete: Warum lässt du das zu? Jesus nimm mir meine schwulen Gefühle weg.» Als er erzählt, wie er zum ersten Mal Gefühle für eine Frau empfindet, kommen dem Theologen vor der versammelten Gemeinde die Tränen.
Die Veränderung vom pornosüchtigen Schwulen zum Ehemann vollzog Rietmann mit Hilfe von Markus Hoffmann, Gründer und Vorsitzender der deutschen Organisation Wüstenstrom. Die Berichte beider Männer ähneln sich dann auch: Sie waren in ihrem eigenen Mannsein verunsichert, fühlten sich ungeliebt und gleichzeitig sexuell von anderen Männern abhängig. Mit dem Aufbau verlässlicher Männerfreundschaften wurde «die Homosexualität als Ich-Stütze überflüssig. Heterosexuelle Gefühle konnten hervortreten.» (Zitat Hofmann).
Auch wenn Rietmann sich laut eigenen Angaben nicht von äusseren Normvorstellungen leiten lässt, sondern nur Menschen hilft, die unter ihrer Homosexualität leiden, findet man auf seiner Homepage deutliche Worte: «Wir sind dem in der Heiligen Schrift dargestellten Lebensentwurf der Ehe von Frau und Mann verpflichtet. In ihm sehen wir die Keimzelle allen gesellschaftlichen Zusammenlebens und die Grundlage der Hoffnung auf Zukunft für unsere Gesellschaft.»
Eine Vorgabe, die befürchten lässt, dass nicht alle Kunden von «Wüstenstrom» unter ihrer Homosexualität leiden, sondern vielmehr darunter, dass ihre Lebensform nicht akzeptiert wird.
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