Die Hexen sind wieder da. Sie tummeln sich in Schweizer Wäldern zwischen Moos und Bäumen, tanzen, singen und beschwören Geister. Eine von ihnen ist Jacqueline Schaller (52).
«Ich bin eine Hexe», sagt die Frau mit dem schwarzen Haar. Sie nennt sich Calluna, nach dem Heidekraut, auch als Hexenkraut bekannt. Sie lebt in Kallnach BE – gleich am Waldrand – und glaubt, dass sich rund 1000 weitere Frauen in der Schweiz dazu bekennen, eine Hexe zu sein.
Calluna, sind Sie eine böse Hexe?
Calluna: Eigentlich ist jede Frau eine Hexe. Aber damit sind sie noch nicht böse. Selbstbewusste Frauen wurden erst durch die Religion, die sie unterdrücken wollte, zu bösen Hexen.
Können Sie mich verzaubern?
Im Sinne weiblicher Verführung gewiss. Aber zaubern kann ich nicht. Ich bin kein Guru und keine Anführerin. Durch meine mediale Gabe und Fähigkeit kann ich aber hellsehen.
Was machen Sie so als Hexe?
Ich suche die Nähe zur Natur, zu den natürlichen Elementen Erde, Feuer, Wasser und Luft. Ich kann Kontakt aufnehmen mit den Seelen von Verstorbenen, Gedanken lesen und Katastrophen voraussagen. Das geschieht durch Energieaufnahme und Rituale in der freien Natur.
Seit Jahrhunderten ziehen Hexen die Menschen in ihren Bann. Seit einigen Jahren erfahren sie eine Art Wiedergeburt, wie Wicca Meier-Spring (46) bestätigt, die Leiterin des Hexenmuseums in Auenstein AG. Seit der Gründung des Museums vor fünf Jahren verdoppelte sich die Zahl der Besucher jedes Jahr. Für Meier-Spring ist die Faszination am Geheimnisvollen der Hauptgrund für das wachsende Interesse in der Bevölkerung.
«Hexerei und Zauberei faszinieren»
«Hexerei und Zauberei faszinieren, weil viele Menschen an übernatürliche Kräfte glauben», sagt auch der Bündner Historiker Hubert Giger (56). Nächste Woche erscheint sein Roman über Hexen in der Surselva in deutscher Sprache.
«In Ländern Afrikas und Asiens werden Frauen bis heute der Hexerei verdächtigt und umgebracht», sagt Giger. Deshalb sei das Thema Hexenverfolgung weiterhin aktuell.
Verfolgt und hingerichtet wurde 1782 in Glarus auch Anna Göldi, «die letzte Hexe». Ihr zu Ehren wird am 13. Juni in Glarus ein Mahnmal am Gerichtshaus eingeweiht: Zwei Lichter werden an sie erinnern. Ihr Schicksal berührt auch die moderne Hexe Calluna.
Was wurde nach Ihrer Meinung Anna Göldi zum Verhängnis?
Sie war eine wissende und starke Frau, welche mächtigen Männern als Bedrohung vorkam.
Haben Sie keine Angst, auf dem Scheiterhaufen zu landen?
Nein, sicher nicht. Ich schade ja niemandem, sondern liebe meine Umwelt.
Was machen Sie, wenn Sie nicht hexen?
Ich hexe immer, bin immer Frau. Zudem bin ich zweifache Mutter und vor kurzem zum ersten Mal Grossmutter geworden. Beruflich bin ich in Teilzeit als Bürofachfrau tätig, widme mich in der restlichen Zeit der Hexenschule und lege Karten.
«Durch meine mediale Gabe kann ich hellsehen»
Jacqueline Schaller
Was Sie über Hexen wissen müssen
1782 wurde in Glarus Anna Göldi hingerichtet, als letzte Schweizer Hexe.
1000: So viele Hexen soll es heute in der Schweiz geben.
60 000 Todesopfer forderte die Hexenverfolgung in ganz Europa.