Antonella Caccioppoli (50) aus Lugano TI
«Ich bin wütend auf die Männer. Sie wehren sich nicht genug»

Männer, die von ihren Ex-Frauen finanziell ausgepresst werden, sind Schwächlinge, findet Antonella aus dem Tessin.
Publiziert: 27.02.2012 um 19:00 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 02:07 Uhr
Das Hochzeitsbild:  Anfang 2011 gab Antonella ihrem Antonio das Jawort. Sie ist  seine zweite Frau.
Foto: ZVG
Von Nadine Chaignat

Neue Matratzen und Kissen liegen nicht drin. Auch neue Möbel können sich Antonella (50) und Antonio (45) Caccioppoli aus Lugano TI nicht leisten. «Wir können nicht wie ein neues Pärchen anfangen. Heiraten, alles schön machen», sagt Antonella. «Eine Vergangenheit zu haben ist okay, aber es kann nicht sein, dass diese unsere Beziehung seit fünf Jahren belastet.»

Die Vergangenheit, das ist Antonios erste Ehe. 1600 Franken muss der Fabrikarbeiter seiner Ex jeden Monat zahlen. Für die beiden Kinder, die er kaum sieht. «Jeder Zahltag ist für uns wie ein Schock», sagt Antonella, «es ist jeden Monat dasselbe. Für was? Sie kann ihn verlassen, leben wie sie will. Und er muss einfach zahlen. Mich macht das wütend. An solchen Tagen streiten wir immer.»

Antonella ist Antonios zweite Frau. Kennengelernt haben sie sich im Ausgang vor fünf Jahren. «Ich habe mich total verliebt», erzählt Antonella, «er erzählte mir bald, dass er seit Monaten getrennt lebe. Ich dachte mir nichts dabei, bin selber zweimal geschieden und habe ein gutes Verhältnis zu meinen Exmännern.»

Doch die Trennung belastet die neue Beziehung. «Er hatte mir schon von schwierigen Situationen mit seiner Frau erzählt. Als ich mit ihm zusammenzog, sah ich, dass es wirklich so ist. Sie hat ihn verlassen. Das Haus musste er verkaufen. Seine beiden Kinder durfte er nur bei ihr besuchen, musste dort kochen und die Wohnung putzen. Er kam oft traurig und hässig nach Hause. Es war sehr anstrengend. Obwohl ich mir jedesmal dachte: Zum Glück will sie ihn nicht mehr, dann ist er bei mir.»

Weil der Druck so gross war, wollte Antonella Antonio verlassen. «Ich konnte nicht mehr und zog aus. Doch er hat mich nicht gehen lassen und ich war zu fest verliebt. Ich habe immer gehofft, dass es besser wird.»

2008 wird Antonios Scheidung rechtskräftig. Die Ex-Frau hat inzwischen einen neuen Partner. Antonio und Antonella heiraten im Januar 2011. «Wir möchten zusammenbleiben. Uns war wichtig, dass wir heiraten», sagt Antonella. «Er ist der, den ich immer gesucht habe, ein ganz guter Mann. Ich fühle mich wohl bei ihm. Eigentlich wäre es perfekt.»

Eigentlich. Aber nur 2500 Franken bleiben Caccioppolis für Miete, Versicherungen und Lebenshaltungskosten. «So bleibt nie was zum besser leben. Das belastet», so Antonella. «Das Schlimmste ist diese ständige Unsicherheit.» Liegt ein Brief vom Staat im Briefkasten, steigt in Antonella sofort Angst hoch. Eine Zahnarztrechnung der Kinder, die ihr Mann bezahlen muss? Sonstige Forderungen? «Seine Ex-Frau kann jederzeit zum Anwalt gehen und etwas verlangen. Klar ist nicht sicher, dass sie gewinnen wird. Aber wenn etwas passiert, wer ist für uns? Das Gesetz nicht – wer dann?»

Nicht nur die finanzielle Situation ist belastend. «Auch gesundheitlich und gefühlsmässig nimmt einen das mit. Warum können wir nicht unser Leben leben, und sie lebt ihres?» Antonella hat alles satt. Den Staat, geldgierige Frauen und schwache Männer. «Wenn ich könnte, würde ich auf die Strasse gehen», sagt sie. «Ich bin auch wütend auf die Männer. Weil sie sich nicht genug wehren. Ich finde, sie sollen schreien. Einfach ‹Nein!› schreien.»

Könnte sie die Zeit zurückdrehen, sie würde Antonio an der Bar, wo sie sich kennenlernten, stehenlassen. «Wenn ich gewusst hätte, was auf mich zukommt, wäre ich gegangen. Ich finde, das ist kein Leben. Aber ein Zurück gibt es nicht mehr.»

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