Happy End für deutschen Rentner Klaus Seidel (89)
Kesb-Opfer geniesst seine neue Freiheit

Die Kesb behandelte Klaus Seidel (89) wie einen Schwerverbrecher. Er wurde von der Polizei gejagt. Musste gegen seinen Willen in die Psychiatrie und durfte weder Frau noch Familie besuchen. Zu unrecht – wie sich nun herausstellte.
Publiziert: 28.05.2016 um 15:29 Uhr
|
Aktualisiert: 28.09.2018 um 15:44 Uhr
1/6
Fit und vital: Die Weihnachtstanne fällte Klaus Seidel selbst.
Anian Heierli

Glücklich strahlt Klaus Seidel (89) in die Kamera. Der Deutsche darf endlich seinen Lebensabend wieder frei gestalten. Zuvor hatte ihn die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) Uri wie einen Schwerverbrecher behandelt. Er wurde von der Polizei gejagt, musste gegen seinen Willen in die Psychiatrie und durfte weder Frau noch andere Familienangehörige besuchen.

Es folgte ein heftiger Rechtsstreit. Nun entschied das deutsche Amtsgericht Freiberg zu Gunsten des Rentners. Die Kesb muss ihm eine Entschädigung von 2000 Franken und einen Teil der Anwaltskosten bezahlen. Heute lebt Klaus Seidel in einem Heim für betreutes Wohnen im sächsischen Städtchen Oederan. Seine Familie wohnt nur fünf Gehminuten entfernt.

Wie zu DDR-Zeiten

Trotz Happy End quält die traurige Geschichte Klaus Seidels Bruder Helmut (70) weiterhin. Das Vorgehen der Kesb erinnert den Ostdeutschen an vergangene DDR-Zeiten: «Es wurde endlich Recht gesprochen. Es ändert aber nichts an der eiskalten Art der Behörde. Klaus ist doch ein Mensch und kein Ölfass, das ins Verderben rollt.»

Dabei liebte Klaus Seidel die Schweiz, verbrachte mehr als 30 Jahre mit seiner Frau Marie (83) in Altdorf. Er arbeitete als Justizbeamter, leistete sich ein Häuschen. Im Dezember 2014 erlitt der Rentner einen Schlaganfall. Verwirrt wie er war, wollte er nicht ins Altersheim und sagte einen folgenschweren Satz: «Dann erschiesse ich mich lieber gleich, mich und meine Frau.»

«Dann erschiesse ich mich lieber gleich»

Die Kesb schaltete sich ein, wies ihn in eine psychiatrische Klinik und später in eine geschlossene Einrichtung ein. Die Familie wollte ihn nach Deutschland holen, stiess aber auf behördlichen Widerstand.

Die Angehörigen sahen nur einen Ausweg: Im Juni 2015 holten sie Klaus Seidel mit dessen Einwilligung zu sich nach Deutschland. Für die Kesb eine «Entführung». Sie liess die Familie zur Fahndung ausschreiben. Auf Druck des Bundesgerichts wurde der Kesb-Antrag im September 2015 zurückgezogen. Mittlerweile reist Klaus Seidel, so oft es geht, nach Uri. Seine Frau Marie lebt in Altdorf im Altersheim.

«Wir warten noch immer auf eine Entschuldigung der Kesb», sagt Werner Seidel. Zudem ist nicht alles ausgefochten. Während der Fahndung hielt die Behörde fünf Monate lang für Seidel in einem Schweizer Heim ein Bett frei. Kosten: 14'000 Franken. Unklar ist, wer dafür aufkommt. Eines wollen die Seidels festhalten: «Das Urner Pflegepersonal, Freunde und Bekannte zeigten grossartiges Mitgefühl.»

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?