Auf dem Pausenplatz der Sekundarschule Känelmatt in Therwil BL gibt es momentan nur ein Thema: Den Händedruck-Dispens für die aus Syrien stammenden Brüder A.* und N.* Die Muslim-Buben (14 und 15 Jahre alt) müssen den Lehrerinnen die Hand nicht mehr schütteln – aus religiösen Gründen.
Darf man eine solche Ausnahme machen? Auf dem Pausenhof ist die Meinung klar: Die meisten Schüler sind dagegen – sogar die Muslime. «Falls es diese Regel im Islam überhaupt gibt, würde ich mich nicht daran halten», sagt ein Schüler zu BLICK. Auch bei den anderen Schülern ist der Tenor: «Ich finde es doof, dass die das dürfen.»
Es gibt aber auch gegensätzliche Meinungen. «Ich bin dafür, dass man alle Schattierungen der Religionen toleriert», sagt ein Schüler.
BLICK trifft einen Verwandten der Muslim-Teenies. Auch er versteht A. und N. nicht. «Es gibt jetzt eine so grosse Aufregung um die Sache. Sie sollten sich den hiesigen Gepflogenheiten anpassen», sagt er. Und weiter: «Die beiden haben einen viel strengeren Glauben als ich. Sie dürfen keine Frau ausserhalb der engsten Familie berühren. Sogar die Cousine gehört schon nicht mehr zum engsten Kreis.»
Die beiden Brüder handelten aus eigenem Willen. «In Syrien ist man bereits ab 14 volljährig. Man kann heiraten und ohne Zustimmung der Eltern ein Haus kaufen», sagt der Verwandte. Er erklärt: «Darum sind die beiden auch selber verantwortlich für ihre Entscheidung.»
Der Handschüttel-Fall kam schon letzten November vor die Schulleitung. «Die beiden Schüler gaben den Lehrerinnen nicht mehr die Hand. Diese fühlten sich diskriminiert und beschwerten sich bei mir», sagt Schulrektor Jürg Lauener (61) zu BLICK.
Im Dezember rief er alle Beteiligten zu einer Krisensitzung. «Wir bestanden darauf, dass die Eltern mitkommen», so der Rektor. Doch die beiden Muslim-Teenies gaben die Bedingungen durch. «In ihrem Kulturkreis gelten die Jungs nun mal als volljährig», so Lauener. «Wir lösten das Problem dann so, dass die beiden Schüler sowohl die Hand der Lehrerinnen, aber auch die der Lehrer nicht mehr schütteln. Damit ist die Diskriminierung aus der Welt geschafft.»
Ganz so wohl scheint dem Rektor dabei aber nicht zu sein. «Wir haben der Direktion für Bildung, Kultur und Sport eine Anfrage geschickt, wie man einen solchen Fall handhabt. Bisher haben wir noch keine Antwort erhalten», sagt Lauener.
Dabei sei das Ritual des Händeschüttelns wichtig. «Früher war das wenig verbreitet. Mit den Jahren hat es sich aber etabliert und gehört zu den sozialen Gepflogenheiten an der Schule.»
Für Beat W. Zemp, den Präsidenten des Schweizer Lehrerverbands, ist der Fall eindeutig: «Ich hätte als Schulleiter sicherlich anders entschieden. Der Händedruck ist Teil unserer Kultur.»
Mittlerweile sah sich sogar Justizministerin Simonetta Sommaruga zur einer Stellungnahme genötigt. «Das geht nicht. So stelle ich mir Integration nicht vor», sagte die Bundesrätin in der TV-Sendung «10 vor 10».
A. und N. waren im Unterricht. Sie wollten gegenüber den Medien keine Aussage machen. Sie haben ihre Schule in der Hand.
* Namen der Redaktion bekannt