Traurige Festtage stehen an bei Pflegehelfer Giovanni Portabene (37) und Tamara Hodel (34), die wegen Krankheit arbeitsunfähig ist. Ob das Geld für einen Weihnachtsbaum reicht, wissen sie nicht. Das Fondue chinoise zu Silvester mit Freunden haben sie abgesagt. Ebenso das Essen an Heiligabend mit der Familie. Die Geschenke für die beiden Kinder Marco (8) und Sharon (5) werden kleiner ausfallen als sonst. Es fehlt das Geld.
Armut in der reichen Schweiz: Was es hier eigentlich nicht geben sollte, verbirgt sich in Statistiken. Jede 13. Person in der Schweiz ist arm, lebt also unter der Armutsgrenze (siehe Grafik). Das sind rund 590 000 Menschen. Weitere 1,9 Millionen sind armutsgefährdet. Sie erhalten einen Lohn unter dem Schweizer Existenzminimum. Dies teilt das Bundesamt für Statistik in seiner Studie «Armut in der Schweiz» vom Juli 2014 mit.
Ein Indiz für wachsende Geldprobleme sind die Umsätze der Läden von Caritas. Seit Jahren klettern die Zahlen nach oben. Immer mehr Menschen gehen in diesen Caritas-Märkten einkaufen. «Sie geben im Durchschnitt 13.50 Franken pro Einkauf aus», sagt Rolf Maurer, Geschäftsführer der Caritas-Märkte. 2014 rechnet Caritas mit insgesamt rund 900 000 Transaktionen.
Der Umsatz ist auf Rekordkurs. Über zwölf Millionen Franken erwartet Maurer im Jahr 2014 – ein Plus von 15 Prozent. Dabei darf im Caritas-Markt nur einkaufen, wer nachweislich in einer «prekären Situation lebt».
Giovanni Portabene und Tamara Hodel kaufen im Dorf-Coop ein. Der nächste Caritas-Laden liegt zwölf Kilometer von zu Hause entfernt. Der nächste Lidl ist zehn Kilometer weit weg. Der Preisvorteil würde durch die Fahrtkosten wieder zunichte gemacht.
Normalerweise sind die Coop-Preise kein Problem. Die vierköpfige Familie lebt nahe an der Armutsgrenze, aber nicht darunter. Giovanni verdient monatlich 2500 Franken netto. Tamara erhält rund 800 Franken vom Sozialamt. Nach Abzug der Kosten für Wohnung und Krankenkasse, beides müssen sie nicht komplett selber bezahlen, verbleiben der vierköpfigen Familie 2400 Franken vor Steuern. Das sind 300 Franken über dem Grundbedarf. Diese Weihnachten aber ist alles anders.
Das Betreibungsamt hat einen Strich durch die Feiertagsrechnung gemacht. Von 6200 Franken brutto erhielt Portabene am Dezember-Zahltag 1143 Franken ausbezahlt. Inklusive 13. Monatslohn. Der Rest wurde gepfändet. Das hat das enge Haushaltsbudget komplett gesprengt.
«Ich habe Schulden, diese müssen beglichen werden», sagt der Familienvater. Doch diesen Monat hat ihm das Amt so viel Geld weggenommen, dass der Familie bis Ende Januar nur 2300 Franken bleiben, inklusive der Gelder des Sozialamts. Dabei betragen alleine die laufenden Rechnungen 2408 Franken.
«Eigentlich freuen wir uns auf Weihnachten», sagt Giovanni, «es ist das Fest der Familie.» Jetzt hat er Angst, seine Kinder zu enttäuschen. «Wir schauen, was wir machen können», sagt er ihnen. Bis zum Zahltag im Januar beträgt das Budget für alle vier zusammen 30 Franken pro Tag.
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