Die Südtäler Graubündens und das Sottoceneri sind beliebte Destinationen für Touristen. Kriminaltouristen. Nachts kommen sie über die nahe Landesgrenze, begehen Einbrüche und fliehen noch vor der Dämmerung zurück nach Italien.
Nach dem Churer Rheintal, dem Misox und dem Val Mustair haben die Kriminellen im Oktober das Puschlav ins Visier genommen. Die Polizei zählte über ein Dutzend Einbrüche, schreibt der «Tages-Anzeiger». Für die Bewohner des Tals, für die es bislang ganz normal war, über Nacht die Türen unverschlossen zu lassen, eine beunruhigend hohe Zahl.
Bürgerwehr patrouillierte im Tal
Die Polizei erhöhte in der Folge die Präsenz im Dorf. Doch den Bewohnern reichte das nicht. Sie gründeten kurzerhand eine Bürgerwehr. Diese sei gut organisiert, sagte Alessandro Della Vedova, Gemeindepräsident von Poschiavo, Ende Oktober zum «Bündner Tagblatt». Am Wochenende würden die Mitglieder mit dem Auto durch das Tal fahren und melden, sobald sie etwas Verdächtiges feststellen. Dabei sei es zu «kritischen Fällen gekommen». «Es wurden Personen verdächtigt, die mit diesen Einbruchserien nichts zu tun hatten», erzählte er. «Aber Schlimmes ist nicht passiert.» Vielmehr ging die Zahl der Einbrüche wieder markant zurück.
Laut «Tages-Anzeiger» hat die Bürgerwehr auch Personen angehalten und kontrolliert – was sie eigentlich gar nicht tun dürften. Der Polizei ist das Engagement der Bürger deshalb ein Dorn im Auge. «Bürgerwehren sind äusserst heikel», zitiert die Zeitung Thomas Hobi, Sprecher der Bündner Kantonspolizei. «Täter schrecken unter Umständen nicht davor zurück, sich zu wehren, und greifen allenfalls auch zu Messer oder Pistole.»
Treffen mit Widmer-Schlumpf
Die Bündner Südtäler versuchen denn auch, das Problem nun anderweitig zu lösen. 24 Gemeindepräsidenten schlossen sich zu einem Sicherheitskomitee zusammen. Ihre Vertreter reisten vergangene Woche nach Bern und klagten Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf ihr Leid. Sie forderten unter anderem mehr Grenzwächter, um die Zahl der einreisenden Kriminaltouristen zu verringern.
«Wir sind sehr zufrieden mit den Ergebnissen unseres Gesprächs», sagte Della Vedova zur «Südostschweiz». Alle hätten «Klartext geredet», konkrete Massnahmen seien thematisiert worden. Nun wollen zwei Bündner Politiker, die das Treffen organisiert haben, in Bundesbern aktiv werden. Ständerat Stefan Engler will das Thema diese Woche im Ständerat aufs Tapet bringen. Heute diskutiert die Kleine Kammer ausserdem bereits über eine Motion der Tessiner Ständerätin Roberta Pantani. Sie fordert eine nächtliche Schliessung der Grenzübergänge zwischen Italien und der Schweiz. (lha)