Reto Branschi sitzt an seinem Schreibtisch, liest E-Mail für E-Mail – und schüttelt immer wieder aufgebracht den Kopf. Der Geschäftsführer der Davos Destinations-Organisation (DDO) mag gar nicht mehr zählen, wie viele erboste Schreiben er schon über sich ergehen lassen musste. Alle kreisen ums gleiche Thema: Die Hasskleber gegen Zürcher Gäste, die letzte Woche in Davos aufgetaucht sind.Der ganze Ort sei damit zugepflastert, meldete «20 Minuten».
«Wir werden beschimpft und für die Aktion verantwortlich gemacht – dabei können wir absolut nichts dafür!», ruft Branschi – und schüttelt erneut den Kopf.
Doch der Schaden ist nicht mehr abzuwenden: Die Ersten haben bereits ihre Ferien storniert. «Ein Desaster», sagt der 50-jährige Familienvater. Ausgerechnet Davos, das sogar einen Zürcher Skiclub in den lokalen Skiclub integriert habe, sei Opfer eines hinterhältigen Lausbubenstreichs geworden. «Dabei sind die Zürcher bei uns immer willkommen», beteuert Branschi.
Er garantiere den Unterländern, dass sämtliche Kleber entfernt worden seien. Er selbst sei anderthalb Stunden durchs Dorf gelaufen – auf der Suche nach den bösen Zetteln. Gefunden hat er fünf. Branschi wüsste zu gern, wer hinter der Aktion steckt: «Sobald klar ist, wer dafür verantwortlich ist, verlange ich Schadenersatz», sagt er.
SonntagsBlick weiss, wen er fragen könnte: Es sind Schaffhauser. «Mit den Stickern wollten wir auf keinen Fall Davos schaden», versichert Initiant Sandro Brohn* treuherzig. Es sei eine Bieridee gewesen, die in seiner fünfköpfigen Clique beim Bechern auf dem Jakobshorn entstanden sei. 10000 Aufkleber hat er angeblich gedruckt. Mittlerweile scheint der Initiant kalte Füsse bekommen zu haben – am Samstag war er für SonntagsBlick plötzlich nicht mehr erreichbar.
Brohns «Bieridee» hat die Jungfraubahnen im Berner Oberland bewogen, schadenfroh ein ganzseitiges Inserat zu schalten. Titel: «We love Zürich – bei uns sind auch Zürcher willkommen». «An deren Stelle würde ich mich hüten – die Kleber können genauso gut bei ihnen auftauchen», ärgert sich Branschi. «Ich verstehe nicht, wie andere Skidestinationen aus unserer Misere Profit schlagen können.»
Reto Kessler (48), CEO der Jungfraubahnen, weist die Kritik zurück: «Wir leben in einem freien Markt – die Zürcher entscheiden, wo sie hingehen möchten.» Immerhin räumt er ein, dass die Sticker-Aktion ihm nicht ungelegen kommt: «Wir haben noch zu wenig Gäste aus Zürich – und hätten sie gerne bei uns», gesteht er.
In Davos sollte sich der Schaffhauser Brohn vorerst nicht blicken lassen. Viele Geschäftsleute sind sichtlich genervt: «Was geht es einen Schaffhauser an, wie viele Zürcher wir da oben haben? Wir Davoser haben die Zürcher gerne», betont Marliese Sprecher von der Confiserie Schneider – und streckt der Zürcher Reporterin zum Beweis gleich ein Schoggiherz entgegen.
*Name der Readaktion bekannt