Urs Huber (53) arbeitete jahrzehntelang als Lokführer – zuletzt drei Jahre bei der Rhätischen Bahn (RhB). Er gilt als sehr gewissenhaft, legt grössten Wert auf Sicherheit – und auf die konsequente Einhaltung der Vorschriften.
Dieses Pochen auf Vorschriften endete für Huber in einem Albtraum.
Am 14. Februar 2013 dringen kurz vor Mitternacht 13 Polizeigrenadiere in Hubers Wohnung in Poschiavo GR ein, reissen ihn jäh aus dem Schlaf. Die Polizisten legen den Lokführer in Handschellen und bringen ihn in die psychiatrische Klinik Waldhaus in Chur. Dort wird er 13 Tage festgehalten – völlig zu Unrecht, wie sich später herausstellen wird. Nur mit Hilfe eines Anwalts kann Huber die Klinik verlassen. Er ist überzeugt: «Hinter der Aktion steckt die Geschäftsleitung der RhB. Die wollen mich mundtot machen.»
Die RhB bestreitet die Vorwürfe
Fakt ist: Seit drei Jahren macht Huber die Bahn auf Mängel aufmerksam. Etwa auf Bremsen, die bei tiefen Temperaturen nicht funktionieren. Oder auf Türen, die sich während der Fahrt öffnen lassen. Im November 2012 mischte sich sogar die Gewerkschaft des Bahnpersonals (SEV) öffentlich in den Streit ein: «Die RhB bestreitet die Vorwürfe. Dem SEV sind aber verschiedene Probleme bekannt. Der SEV fordert, dass die RhB die Bedenken der Mitarbeiter ernst nimmt», schrieb die Gewerkschaft in einer Medienmitteilung.
Das wirkte. Nach und nach behob die Bahn die Mängel und investierte in die Sicherheit. Etwa in geheizte Bremsen. Für Huber aber war das Tuch mit seinem Arbeitgeber zerschnitten. Die RhB entliess ihn per Ende Oktober 2012. Seither ist er auf Stellensuche.
Die Kritik an der RhB führte der erfahrene Lokführer aber weiter. «Ich bekomme bis heute immer wieder Hinweise von ehemaligen Arbeitskollegen auf Mängel und nicht eingehaltene Vorschriften. Die leite ich an die Bahn weiter», sagt er.
Huber ist psychisch gesund
Ein Mail Hubers vom 11.Februar 2013 brachte das Fass zum Überlaufen. Darin drohte er, in gewohnt hartnäckigem Ton, mit einem Hungerstreik, falls die Bahn seine Bedenken nicht ernst nehmen würde. Und er zitierte ein Sprichwort: «Wenn du merkst, dass du ein totes Pferd reitest, dann steige ab». Das interpretierte die Bahn offenbar als «Selbst- oder Fremdgefährdung». Die RhB erstattete Anzeige wegen «versuchter Nötigung». Wegen der vermuteten Gefährdung hielten die Behörden dann auch den massiven Einsatz vom 14. Februar für angemessen.
Nur: Huber ist gemäss Arztbericht psychisch gesund. Und seine fürsorgliche Unterbringung war nicht gerechtfertigt. Zu diesem Schluss kam auch das Kantonsgericht.
Das Verfahren gegen ihn wegen versuchter Nötigung ist noch nicht abgeschlossen, wie Yvonne Dünser, Mediensprecherin der RhB bestätigt. «Nach mehreren Gesprächen und basierend auf mehrere E-Mails sah sich die Geschäftsleitung veranlasst, Strafanzeige gegen Huber einzureichen. Dies zum Schutz der eigenen Mitarbeitenden und des Unternehmens, sowie auch von Herrn Huber selber». Weitere Fragen will sie mit Hinweis auf das laufende Verfahren nicht beantworten.
Huber sieht dem weiteren Verfahren gegen ihn gelassen entgegen. «Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen», sagt er. Die Bahn will mich zum Schweigen bringen, weil ich sie immer wieder auf unangenehme Tatsachen hinweise.»