Stellen Sie sich vor, Ihr Haus brennt – und die Feuerwehr kommt nicht. Ein Szenario, das bald Wirklichkeit werden könnte. Denn der Bund bremst Retter mit Blaulicht böse aus: Das neue Strassengesetz Via Sicura bestraft Polizei, Rettungsdienste und Feuerwehr wie Raser, wenn sie zu schnell unterwegs sind. Seit 1. Januar 2013 gilt: Brettert ein Feuerwehr-Mann mit 70 durch eine 30er-Zone, begeht er eine Straftat.
Das Gleiche passiert, wenn ein Polizist ausserorts mit 140 km/h einen Kriminellen jagt. Und auch der Notarzt darf die Geschwindkeitslimite nicht überschreiten. Werden sie erwischt, droht den Blaulichtrasern eine Strafe von mindestens einem Jahr Gefängnis und ein Ausweisentzug von 24 Monaten. Vor der Einführung von Via Sicura konnte der Richter es bei einer Geldstrafe bewenden lassen. Die Blaulichtorganisationen laufen deshalb Sturm gegen das neue Gesetz. Die Polizei zum Beispiel spricht von einem «perversen Effekt»: «Das Gesetz bestraft jene, die das Gesetz übertreten müssen, um Hilfe zu leisten», heisst es in einer Mitgliederzeitung.
«So können wir unsere tägliche Arbeit nicht machen», beschwert sich Reto Hauser vom Polizeiverband. «Das ist doch absoluter Unsinn.» Die Feuerwehr klagt, es werde schwerer, Nachwuchs zu finden: «Es meldet sich doch niemand mehr, wenn er mit der ständigen Angst leben muss, ins Gefängnis zu kommen», sagt Michael Notter (35) von der Feuerwehr Rohrdorf AG. «Wir brauchen das Gesetz im Rücken!» Sonst könne die Einsatzbereitschaft nicht mehr garantiert werden.
Eine breite Front von Parlamentariern will nun die Retter retten. Ein Treffen mit den Blaulichtorganisationen und Juristen hat bereits stattgefunden. «Als diese Geschwindigkeitslimiten eingeführt wurden, dachte das Parlament nur an Raser, nicht aber an Leute, die Leben retten müssen», sagt Corina Eichenberger (59), FDP-Nationalrätin und Präsidentin der Parlamentarischen Gruppe Feuerwehr.
So schnell wie möglich soll im Strassenverkehrsgesetz eine Ausnahme für Blaulichtfahrten verankert werden. Die Berner SVP-Nationalrätin und Polizistin Andrea Geissbühler (37) will einen Vorstoss einreichen.
Thomas Rohrbach vom Bundesamt für Strassen: «Verhält sich ein Fahrer verhältnismässig, hat er nichts zu befürchten.» Dem widerspricht Walter Pfammatter (58) vom Feuerwehrverband: «Fakt ist, dass die Gerichte immer gegen den Uniformträger entscheiden.»