Die gewählte Regierung in Libyen kontrolliere nur Teile des Landes, während andernorts Kriminelle und Terroristen die Kontrolle ausübten, sagte Gattiker im am Donnerstag in den Zeitungen «Tages-Anzeiger» und «Der Bund» veröffentlichten Interview.
Gleichzeitig sässen eine halben bis eine Million gestrandete Migranten und Flüchtlinge in Libyen fest. Die im März gegründete internationale Kontaktgruppe, zu der auch die Schweiz gehöre, wolle Schutzbedürftigen den Zugang zu humanitärer Hilfe ermöglichen und Migranten, die freiwillig in ihre Heimat zurückwollten, unterstützen.
Freiwillige Rückkehrer seien «oftmals Menschen aus Westafrika, die ihr Land aus wirtschaftlichen Gründen verlassen haben und Arbeit in Libyen suchen, um die Weiterfahrt zu finanzieren», sagte Gattiker. Angesichts der Schwierigkeiten in Libyen und der gefährlichen Reise über das Mittelmeer entschieden sie sich dann aber für die Umkehr.
Die Schweiz beteilige sich finanziell an einem Rückkehr-Programm der Internationalen Organisation für Migration. Mit dessen Hilfe seien bisher über 700 Personen in ihre Heimat zurückgereist. Die Kontaktgruppe will aber vor allem erreichen, dass Flüchtlinge aus Afrika auf der Reise nach Europa so früh wie möglich gestoppt werden.
«Europa hat Libyen zur Priorität erklärt», sagte Gattiker. 230 Millionen Euro habe die EU bereits gesprochen für Projekte. «Die Alternative wäre, nichts zu machen.» Zurzeit steuerten nicht die Staaten die Migration in Richtung Norden, sondern die Schlepper. «Das können wir nicht akzeptieren.»
Der Migrationsdruck auf Europa und auch auf die Schweiz werde nicht nachlassen, sagte Gattiker im Interview und weiteren Interviews, die am Donnerstag in Westschweizer Zeitungen erschienen waren. Italien habe von Januar bis März gegenüber dem Vorjahresquartal eine Zunahme von Flüchtlingen um 60 Prozent registriert.
Gattiker geht davon aus, dass der Anstieg in der Schweiz nicht gleich hoch ausfallen wird. «Für viele Personen mit schwach begründeten Asylgesuchen sind wir nicht mehr ein primäres Zielland», sagte er. Wegen der beschleunigten Behandlung dieser Gesuche sei die Schweiz für diese Asylsuchenden weniger attraktiv geworden.
Im Interview mit «Tages-Anzeiger» und «Der Bund» äusserte sich Gattiker auch zur verschärften Schweizer Praxis gegenüber Asylsuchenden aus Eritrea. Eritreer erhalten kein Asyl mehr, nur weil sie ihr Heimatland illegal verlassen haben. Das entschied das Bundesverwaltungsgericht Anfang Februar in einem Grundsatzurteil.
Vor Mitte 2016 war eine illegale Ausreise aus Eritrea als Fluchtgrund angesehen worden. Der Entscheid betreffe derzeit einige hundert Personen, sagte Gattiker. Ihre Asylgesuche seien abgelehnt worden und sie würden auch nicht vorläufig in der Schweiz aufgenommen. «Bei ihnen gilt eine Rückkehr als zumutbar.»
Allerdings weigert sich Eritrea, Abgewiesene zurückzunehmen, und das «obwohl jedes Land gemäss Völkerrecht dazu verpflichtet ist», wie Gattiker sagte. Kehrten die Abgewiesenen indes freiwillig in ihre Heimat zurück, sei Eritrea zur Zusammenarbeit bereit.
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