Er ging ganz nah heran. Tröstete die Buben. Las den zehn- und elfjährigen Jungs Gutenachtgeschichten vor. Tibor B.* (42) stand ihnen bei, als sie für fünf Wochen auf einer Alp über Lauenen BE die ADHS-Medikamente absetzten.
Das Schweizer Fernsehen berichtete 2011 über das Projekt. In einer Berner Lokalzeitung galt der Schulsozialarbeiter Tibor B. schon zehn Jahre davor als Hoffnungsträger, erhielt sogar eine eigene Kolumne. Für seine Arbeit wurde er ausgezeichnet.
Hinter der Fassade des gutmütigen grossen Bruders für schwierige Buben versteckt sich ein Monster. Er wütet 16 Jahre lang. Vergeht sich an mindestens 20 Buben (BLICK berichtete).
Tibor B. hat seine perversen Neigungen perfekt versteckt. «Ich konnte mit ihm über alles reden. Ich hatte nicht den leisesten Verdacht, dass der ein Kinderschänder ist», sagte eine Mutter gestern zu BLICK. Sie vertraute Tibor B. regelmässig ihren Sohn an!
Im Lauener Ortsteil «Sunnigi Louwene» hatte Tibor B. sein Reich gemietet. Fünfzig Meter von den anderen Häusern entfernt, versteckt hinter einer Kuppe. «Es gibt kein Warmwasser, nur ein Plumpsklo, zum Kochen muss man den Ofen anfeuern. Den Buben gefiel das», sagt die Mutter.
Ein Preis für seine «spezielle Leistung der Sozialpädagogik»
Doch die Alphütte ist ein Ort des Schreckens. Ein Tatort. Die Kantonspolizei Bern durchsucht das Haus kurz nach der Verhaftung von Tibor B. im Januar 2012. Versiegelt es. Tibor B. spielt seine Rolle so gut, dass ihm Eltern während Jahren vertrauen. Aber auch Vorgesetzte und Schulleiter fallen auf seine mitfühlende Art herein. Der Schweizer, Sohn einer Deutschen und eines Ungarn, ausgebildeter Sozialpädagoge und FC-Basel-Fan, ist einer der ersten Berner Schulsozialarbeiter.
Im August 2001 tritt er seine Stelle an Könizer Schulen an. Ein halbes Jahr später zeichnet die Sektion Bern des Schweizerischen Berufsverbands der SozialpädagogInnen (SBVS) seine Arbeit aus. Für seine «spezielle Leistung der Sozialpädagogik» erhält Tibor B. einen mit 500 Franken dotierten Preis.
Noch im gleichen Jahr dringen Gerüchte nach Köniz. Bei seiner alten Stelle in Oberwil BL soll Tibor B. sexuelle Übergriffe begangen haben. «Er hat alles abgestritten, die alte Schule wusste nichts von Vorwürfen. Deshalb blieb er bei uns», sagt der Könizer Bildungsvorsteher Ueli Studer. «Mit Auflagen: Bei Projekten ausserhalb des Schulhauses durfte er nur Kontakt mit Schülern haben, wenn ein weiterer Lehrer dabei war.»
Tibor B. bleibt noch sechs Jahre in Köniz. «Wir müssen davon ausgehen, dass es bei uns Opfer gibt», sagte Studer gestern. B. kündigt 2008, wechselt zur Solothurner Fachstelle «Perspektive», arbeitet in Derendingen SO. Angelt sich einen Nebenjob bei «Via Nova», dem ADHS-Projekt der deutschen «Sinn Stiftung» auf der Alp «Unteren Blatti» über Lauenen.
«Zwei Betreuer waren dabei», erinnert sich die Verwalterin der Alp. «Einer schlief auswärts. Einer bei den Buben. Meistens Tibor.» Das Projekt endet abrupt: Die Stiftung entlässt B. nach einem anonymen Hinweis auf Übergriffe vor zwei Jahren. Die Schweizer Behörden erfahren nichts davon.
Eine ehemalige Schlummermutter bricht in Tränen aus, als sie erfährt, dass Tibor B. der Bubenschänder vom Lauenensee ist. «Auf seinem Computer waren nur Bergfotos», sagt die Ex-Vermieterin (64). «Keine Buben.»
* Name der Redaktion bekannt
BLICK: Warum arbeiten Pädophile so oft mit Kindern und Jugendlichen?
Cornelia Bessler: Zum einen suchen Pädophile die Nähe zu Kindern, und die ist in Jobs wie Lehrer, Sozialpädagoge oder Freizeitleiter natürlich gegeben. Zum anderen sind sie emphatisch. Sie verstehen die Kinder, fühlen intuitiv, was sie beschäftigt. Deswegen sind sie oft sehr beliebt.
Welche Kinder sind besonders gefährdet?
Kinder, die ein Defizit haben. Sei es im materiellen oder im emotionalen Bereich. Die Kinder versuchen, den Mangel auszugleichen, und sind so sehr empfänglich für die Aufmerksamkeiten der Pädophilen.
Wie kann man das eigene Kind vor einem Schänder bewahren?
Es gilt, die Warnzeichen zu erkennen. Nimmt der Lehrer oder der Betreuer das Kind mit nach Hause oder macht er ihm teure Geschenke? Erzählt das Kind von Geheimnissen zwischen ihm und dem Pädagogen? Die Kinder müssen das Gefühl haben, sie können daheim alles erzählen. Die Eltern sollten zudem dem Kind deutlich machen, dass es Grenzen gibt – was ist okay, was nicht.
Was können Schulen und andere Einrichtungen tun, um Kinder vor Mitarbeitern mit dieser Neigung zu schützen?
Klare Rahmenbedingungen schaffen. Lehrer oder Betreuer sollten Kinder nie alleine mit in ihre Wohnung nehmen dürfen. Auch ein privater Kontakt ausserhalb der Unterrichtszeiten gehört untersagt, ausser er ist mit der Leitung abgesprochen. Pädophile werden sich in einem derart engen Reglement nicht wohlfühlen.
Interview: Antonia Sell
Dr. med. Cornelia Bessler (57) ist Chefärztin der Kinder- und Jugendforensik der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie Zürich.
BLICK: Warum arbeiten Pädophile so oft mit Kindern und Jugendlichen?
Cornelia Bessler: Zum einen suchen Pädophile die Nähe zu Kindern, und die ist in Jobs wie Lehrer, Sozialpädagoge oder Freizeitleiter natürlich gegeben. Zum anderen sind sie emphatisch. Sie verstehen die Kinder, fühlen intuitiv, was sie beschäftigt. Deswegen sind sie oft sehr beliebt.
Welche Kinder sind besonders gefährdet?
Kinder, die ein Defizit haben. Sei es im materiellen oder im emotionalen Bereich. Die Kinder versuchen, den Mangel auszugleichen, und sind so sehr empfänglich für die Aufmerksamkeiten der Pädophilen.
Wie kann man das eigene Kind vor einem Schänder bewahren?
Es gilt, die Warnzeichen zu erkennen. Nimmt der Lehrer oder der Betreuer das Kind mit nach Hause oder macht er ihm teure Geschenke? Erzählt das Kind von Geheimnissen zwischen ihm und dem Pädagogen? Die Kinder müssen das Gefühl haben, sie können daheim alles erzählen. Die Eltern sollten zudem dem Kind deutlich machen, dass es Grenzen gibt – was ist okay, was nicht.
Was können Schulen und andere Einrichtungen tun, um Kinder vor Mitarbeitern mit dieser Neigung zu schützen?
Klare Rahmenbedingungen schaffen. Lehrer oder Betreuer sollten Kinder nie alleine mit in ihre Wohnung nehmen dürfen. Auch ein privater Kontakt ausserhalb der Unterrichtszeiten gehört untersagt, ausser er ist mit der Leitung abgesprochen. Pädophile werden sich in einem derart engen Reglement nicht wohlfühlen.
Interview: Antonia Sell
Dr. med. Cornelia Bessler (57) ist Chefärztin der Kinder- und Jugendforensik der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie Zürich.