Dschihad-Experte über die Bedrohung der Schweiz
«Es ist nur eine Frage der Zeit»

Keiner kann voraussagen, wo, wann und in welchem Land Terror-Angriffe stattfinden. Sicher ist: Auch die Schweiz ist nicht gefeit von der Gefahr.
Publiziert: 09.01.2015 um 22:18 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 03:14 Uhr
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Ein Polizist wartet an einem Checkpoint.
Foto: Keystone
Interview: Céline Trachsel

BLICK: Der Terror-Anschlag in Paris verunsichert Journalisten weltweit. Ist die Angst vor Nachahmungstätern eingebildet oder eine reales Sicherheitsrisiko?
Lorenzo Vidino*: Wer sich kritisch und kontrovers zum Islam geäussert hat, für den ist das Risiko real. Ich denke da etwa an Schweden oder Dänemark, wo gewisse Journalisten und Karikaturisten seit sechs, sieben Jahren 24 Stunden am Tag unter Polizeischutz stehen.

Welche Schweizer Pressehäuser müssen sich fürchten?
Solche, die sich negativ zum Islam geäussert haben. In der Schweiz war ja kürzlich ein Beitrag in der Weltwoche, in dem sich ein Autor exponiert hat. Aber nicht nur Journalisten können sich in die Nesseln setzten, auch Politiker.

Gibt es Orte oder Unternehmen in der Schweiz, die sie als potentielle Ziele gefährdet sehen?
Es kann überall passieren. Das ist nur eine Frage der Zeit. Es wäre naiv zu glauben, die Schweiz sei vom restlichen Weltgeschehen abgeschnitten.

Wir sind in keinen Krieg verwickelt und ergreifen keine Partei.
Nur weil die Schweiz neutral ist, ist sie deswegen nicht sicher vor Terror-Anschlägen. Ich wäre nicht überrascht. Vielleicht ist die Gefahr nicht ganz so hoch wie etwa in Grossbritanien oder Frankreich, aber vergangenen April wurden in Schaffhausen auch drei Männer verhaftet, die einen Anschlag in der Schweiz geplant hatten.

Können die verstärkten Patrouillen vor Schweizer Pressehäusern etwas verhindern - oder sind sie bloss ein Tropfen auf den heissen Stein?
Mehr Sicherheit hilft bestimmt, es kommt jedoch auf die Art des Anschlages drauf an. Einen spontanen Einzeltäter sollte die Polizei stoppen können. Aber ein gut vorbereitetes Kommando wie in Paris kann nicht so einfach aufgehalten werden. In Paris hatten Polizei und Leibwache keine Chance.

Was halten sie vom Beifall radikaler Muslime weltweit nach dem Charlie-Anschlag?
Das verwundert mich nicht, in manchen Milieus wird der Anschlag geradezu gefeiert, etwa auf Facebook und Twitter. Logisch, denn in solchen Kreisen gelten die Journalisten als Feindbild. Dieses Hochjubeln ist gefährlich und beunruhigend - denn es finden sich immer welche, die solches kopieren wollen.

*Lorenzo Vidino ist  Jihadismus-Experte und war früher an der ETH als Wissenschaftler zum Thema Islamismus und politische Gewalt in Europa und Nordamerika tätig.

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