Die gewagte Theorie der Wolfsgegner
«Schweizer Wölfe sind nicht echt»

Es handelt sich um Mischlinge, behaupten Wolfsgegner. Und fordern ihre Tötung.
Publiziert: 18.10.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 02:27 Uhr
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Wie viel Hund steckt im Wolf? Auch dieses Tier aus Bellwald VS ist umstritten.
Foto: Keystone
Von Roland Gamp (Text) und Igor Kravarik (Illustration)

Auf einem Maiensäss bei Pfäfers SG zerfleischten sie vor zehn Tagen ein junges Kalb. Im September wagte sich einer bis nach Gossau ZH vor. «Wölfe zeigen immer weniger Scheu vor dem Menschen, die Zahl der gerissenen Nutz- und Herdentiere nimmt massiv zu», sagt der Walliser Grossrat Georges Schnydrig (53).

«Dabei sind es gar keine echten Wölfe, sondern Wolfsmischlinge, die verboten sind.»

Diese gewagte These will die Gruppe «Lebensraum Schweiz ohne Grossraubtiere» in den nächsten Tagen verbreiten. Co-Präsident Schnydrig: «In Italien zeigte eine Untersuchung, dass bis zu 87 Prozent der Wölfe aus Kreuzungen mit Hunden stammen. Wir haben daraufhin Fotos der Schweizer Exemplare studiert. Und kamen zum Schluss, dass auf diesen nur Mischlinge zu erkennen sind.»

Die sind laut Artikel 8 der Jagdverordnung und Berner Konvention illegal. Weil sie die Population der reinrassigen Wölfe gefährden, indem sie sich mit ihnen paaren. Die logische Konsequenz für Schnydrig: «Alle Mischlinge müssen geschossen werden.»

Unterstützung erhält er von Eirik Granqvist (71). Der finnische Tierpräparator war Chefkonser­vator am Zoologischen Museum in Helsinki. Für SonntagsBlick hat er 20 Fotos von Schweizer Wölfen analysiert. Bei einem seien die Ohren zu spitz, «typische Hunde­ohren». Bei anderen der Schwanz zu lang, die Schnauze zu kurz, die Kopfhaltung falsch. «Offenbar gibt es in der Schweiz keine Wölfe, sondern nur Mischlinge.» Das Problem: «Hybride haben nicht die gleiche Angst und Vorsicht vor uns Menschen wie die Wölfe. Sie sind frecher, greifen Tiere und Menschen eher an», sagt Granqvist.

David Gerke (30), Präsident der Gruppe Wolf Schweiz, winkt ab. «Das ist eine konstruierte Geschichte der Wolfsgegner, um die Tiere loszuwerden.»

In Italien komme es immer wieder zu Mischungen von streunenden Hunden und Wölfen. «Aber in der Schweiz ergaben alle DNA-Tests: Hier leben keine Hybride.»

Solche Erbgut-Tests führt Luca Fumagalli (50) an der Universität Lausanne für den Bund durch. «Die Gegner haben keine wissenschaftlichen Beweise für ihre These», sagt der Bio­loge. Entscheidend seien nicht äussere Merkmale, sondern die Genetik.

Fumagalli: «Wir können bis vier Generationen zurückverfolgen, ob ein Tier von einem Mischling abstammt. Das war in 15 Jahren noch nie der Fall in den Schweizer Alpen.»

Bei den Wölfen seien möglicherweise noch einige Hunde-Gene in der DNA zu finden, die von früheren Kreuzungen stammen. Der Anteil sei aber so gering, dass man diese Tiere nicht als Hundemischlinge bezeichnen könne. «Wenn ein Schweizer einen Urururgrossvater aus China hatte, bezeichnet man ihn deshalb auch nicht als Asiaten.»

Georges Schnydrig hält dagegen: «Ein Wolf, welcher nicht wie ein Wolf aussieht, kann genetisch gar kein Wolf sein.» Die DNA-Datenbank des Bundes stamme von Mischlingen. «Wenn man neue Proben damit abgleicht, stimmt die DNA entsprechend mit den Mischlingen der Datenbank überein.»

Das Bundesamt für Umwelt kontert. «Wir zweifeln die Ergebnisse der DNA-Analysen keinesfalls an», sagt Sprecherin Caroline Nienhuis (36). Liegt die Kreuzung mit dem Hund so weit zurück, dass dies mit DNA-Tests nicht mehr nachvollziehbar ist, habe das keine Bedeutung für den Umgang mit dem Wolf.

«Im Erbgut jedes freilebenden Alpensteinbocks lassen sich zum Beispiel Gene der Hausziege nachweisen. Aber deshalb würde keiner auf die Idee kommen, alle Steinböcke als Hybride zu bezeichnen und abzuschiessen», so Nienhuis.

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