Deutscher Künstler mit Mord-Aufruf
«Tötet Roger Köppel!»

«Er muss sterben», sagt der deutsch-schweizerische Philosoph Philipp Ruch (34) über Roger Köppel (50). Als Kopf der radikalen Aktionskünstler «Zentrum für Politische Schönheit» ruft er im Strassenmagazin «Surprise» dazu auf, den SVP-Mann umzubringen.
Publiziert: 11.09.2015 um 15:27 Uhr
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Aktualisiert: 10.09.2018 um 19:40 Uhr
Kaputte Brille, kaputter Köppel.
Foto: zvg
Von Alexa Scherrer

Schock-Inserat im Schweizer Strassenmagazin «Surprise». Die aktuelle Sonderausgabe widmet sich den eidgenössischen Wahlen und der Frage «Was braucht die Schweiz?». Die Antworten sind vielschichtig, diejenige auf Seite 18 aber eindeutig: Roger Köppel (50) braucht die Schweiz ganz offensichtlich nicht.

Zumindest nicht in den Augen von Skandal-Künstler Philipp Ruch (34). Seine Aufforderung ist unmissverständlich: «Tötet Roger Köppel!». Den Grund für die Wut und den Hass hinter dem Aufruf verrät er, indem er die Reihenfolge der drei Wörter ändert: «Köppel Roger tötet!»

«Er muss sterben», ist Ruch deswegen überzeugt. «Im Namen der Menschheit.»

Zusammen mit dem Zentrum für Politische Schönheit (ZPS), einem vom 34-Jährigen gegründeten Aktionskünstler-Kollektiv, hat er Köppel in seinem neusten Stück eine zentrale Rolle gewidmet. «2099» wird am Samstag in einer Woche am Theater Dortmund uraufgeführt.

«Kunst ist für die Politik stets lebensgefährlich»

Die Handlung ist abgehoben: Fünf Philosophen reisen aus der Zukunft zurück ins Heute, ins Jahr 2015. Hier versuchen sie, das Publikum davon zu überzeugen, das Rad der Geschichte zu drehen, bevor es zu spät ist. Zu spät ist es dann, wenn SVP-Köppel mit seinem Gedankengut ganz Europa unterwandert und unzählige Menschenleben auf dem Gewissen hat. «Köppel wird zum Chef-Ideologen des 21. Jahrhunderts», sagt Ruch und vergleicht ihn mit Alfred Rosenberg, dem prägenden nationalsozialistischen Denker der NSDAP.

Im Gespräch mit dem Regisseur wird klar, dass sein Theater zu grossen Teilen von seiner persönlichen Meinung geprägt ist. «Bereits jetzt wird Köppel in Deutschland hofiert, sagt in Talkshows komplett inakzeptable Dinge, die Rechtsextreme hier sonst nicht einmal denken», meint Regisseur Ruch. Und Rechtsradikale kennt Deutschland gut, gerade in Dortmund sorgt die Neonazi-Szene immer wieder für Schlagzeilen. «Für die ist er eine Lichtgestalt, eine rhetorische Galionsfigur», so Ruch. Werde Köppel jetzt nicht gestoppt, ende das in einer Katastrophe.

Aber was, wenn jemand die Aufforderung ernst nimmt, in ihr mehr als eine künstlerische Metapher sieht? Was, wenn Roger Köppel in zwei Wochen wirklich tot ist? «Als Schlingensief ‚Tötet Möllemann‘ ausgerufen hatte, fiel dieser ein halbes Jahr später wie ein Stein vom Himmel», sagt Ruch. «Kunst ist für die Politik stets lebensgefährlich.»

Surprise: «Kein Aufruf zur Gewalt»

Amir Ali vom Magazin «Surprise» ist sich bewusst, dass der ZPS-Beitrag provokativ ist. «Er geht aber über die reine Provokation hinaus. Letztlich wirft er in den Augen der Redaktion Fragen der Moral auf: Was darf man, was darf man nicht? Was sind die Grenzen des guten Geschmacks?»

Der Gastbeitrag sei auf der Redaktion kontrovers diskutiert worden. Man sei aber zum Schluss gekommen, dass es sich nicht um einen Aufruf zur Gewalt gegen Personen oder Organisationen handle. «Ruchs Beitrag ist eingebettet in einem künstlerischen Diskurs zu verstehen, der in den Neunziger Jahren mit Christoph Schlingensiefs ‹Tötet Helmut Kohl!› angefangen hat. Mit diesem Zitat äussert sich Ruch als politischer Aktionskünstler zur gesellschaftlichen Gegenwart und schafft gleichzeitig einen Bezug zur Vergangenheit», sagt Ali.

Das Zentrum für Politische Schönheit ist bekannt für Aktionen, die immer drastisch nach Skandal und Radikalität rufen, die immer Fragen nach Legalität und Verhältnismässigkeit aufwerfen.

Mit ihrer jüngsten Kampagne «Die Toten kommen» machte das Kollektiv etwa auf die unzähligen Flüchtlinge aufmerksam, die auf dem Weg nach Europa sterben und für immer in der Anonymität bleiben.

Die Künstler behaupteten, Leichen in Syrien ausgegraben und nach Deutschland gebracht zu haben, um sie hier würdig zu beerdigen. Im Juni hat das ZPS zusammen mit Tausenden Demonstranten symbolische Gräber ausgehoben – auf einer Wiese vor dem deutschen Reichstag.

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