Auf seinem T-Shirt steht: «Lies! Im Namen deines Herrn, der dich erschaffen hat.» Der Thurgauer A. A.* (21), der einst die umstrittene Koran-Verteilaktion «Lies!» in die Schweiz brachte, kämpft derzeit in Syrien – im Namen Allahs. Sein erklärtes Ziel: den «Ungläubigen» die Köpfe abzuschlagen.
Wenig zimperlich geht der gelernte Logistiker auch mit seiner Frau um: Er hält sie offenbar gegen ihren Willen im Bürgerkriegsgebiet fest. Dort brachte sie erst vor kurzer Zeit eine Tochter zur Welt.
Im SonntagsBlick spricht der Vater der jungen Konvertitin G.* (22) jetzt erstmals über das Schicksal seiner Tochter. Zu ihrem Schutz will er seinen Namen nicht in der Zeitung lesen. Auch Details zu ihrem Aufenthaltsort in Syrien will er nicht nennen.
SonntagsBlick: Haben Sie Kontakt zu Ihrer Tochter?
Ja, zumindest dann, wenn es mal Strom und Internet gibt.
Wie geht es ihr und dem Baby?
Nicht wirklich gut. Bei der Geburt gab es Komplikationen, es musste operiert werden. Mangels Ausstattung und fehlender Medizin leidet meine Tochter unter grossen Schmerzen. Daher sind auch die im Westen üblichen Untersuchungen für Mutter und Kind nicht möglich. Es ist ein Irrsinn! Die allgegenwärtige Angst davor, dass es zu weiteren Komplikationen kommen kann, raubt einem den Verstand.
G. stammt aus der deutschen Universitätsstadt Tübingen, ihre Eltern leben getrennt. Bis vor wenigen Jahren ging sie in Deutschland zur Schule, machte ein Auslandsjahr. An einem Stand von «Lies!» konvertierte sie zum Islam. Ihren künftigen Ehemann lernte sie über eine islamische Heiratsvermittlung kennen. In einer Moschee in Stuttgart heirateten die beiden nach islamischem Recht. In Arbon TG gingen sie aufs Standesamt. Ihr Vater erfuhr von all dem erst später – am Telefon.
Seit 2013 lebte das Paar am Bodensee in einem Mehrfamilienhaus. Nachbarn berichten, G. habe das Haus nur komplett verschleiert verlassen. Im Herbst 2014 verschwand A. A. Der Sohn türkischer Einwanderer schloss sich in Syrien der Al-Nusra-Front an, einem Ableger der Terrororganisation Al Kaida. Wenig später folgte ihm seine schwangere Frau.
Warum folgte sie ihrem Mann nach Syrien?
Was wir bis dato sicher wissen, ist, dass meine Tochter am 6. Oktober 2014 mit dem Vater ihres Mannes in die Türkei geflogen ist und es für den 9. Oktober auch zwei Rückflugtickets gab. Meine Tochter hatte nur kleines Gepäck dabei und die Wohnung in Arbon war nicht gekündigt.
Wurde sie verschleppt?
Dazu kann ich nichts sagen.
Warum ist Ihre Tochter überhaupt zum Islam konvertiert?
Wie viele Gläubige geht auch meine Tochter davon aus, dass der Mensch bei einer höheren Macht seine Orientierung finden kann. Sie ist neugierig, aufgeweckt und auf der Suche nach der für sie passenden Religion. Sie hat sich schon in verschiedene Religionen eingearbeitet. Im Moment studiert sie den Koran. Sie geht fest davon aus, dass auch der Islam eine friedliche und gütige Religion ist.
Wann haben Sie von der Hochzeit erfahren?
Im Herbst 2013.
Sind Sie dem Ehemann Ihrer Tochter je begegnet?
Nein, wir haben uns bis heute nicht persönlich getroffen und wir hatten auch keinen telefonischen Kontakt.
In der Schweiz ermittelt die Bundesanwaltschaft gegen A. A. – wegen Terrorismus. Bereits im Dezember hat die Polizei seine Wohnung in Arbon durchsucht. Die Familie von G. steht in engem Kontakt mit den Ermittlern. Der Vater hofft, seine Tochter und seine Enkelin bald in die Arme schliessen zu können.
Was unternehmen Sie, damit Ihre Tochter wieder heimkommen kann?
Wir sind weiterhin bemüht, mit A. A. persönlich in Kontakt zu treten. Leider ist dies noch nicht gelungen. Unser Ziel ist es, Mutter und Kind aus dem Kriegsgebiet zu bekommen. Wir hoffen, dass A. A. als guter Muslim seinen Pflichten und seiner Verantwortung als Vater und Ehemann gerecht werden will.