Debatte über Deutsche in der Schweiz
«Fühl mich richtig wohl und bin diese Drecks-EU los»

Die Deutschen leiden in der Schweiz, behauptet eine Studie über Expats. Viele Blick.ch-Leser – Deutsche wie Schweizer – sind da ganz anderer Meinung.
Publiziert: 07.05.2015 um 22:55 Uhr
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Aktualisiert: 10.09.2018 um 04:46 Uhr
Expat: «Schweizer kennenlernen, ist schwierig!»
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:Expat: «Schweizer kennenlernen, ist schwierig!»

300'000 Deutsche wohnen in der Schweiz. Für viele von ihnen sei das Leben hier eine Tortur, behauptet eine neue Studie der Wirtschaftsuni Wien und der HSG in St. Gallen. (Blick.ch berichtete).

Die Deutschen würden beleidigt, sie seien benachteiligt, wenn sie eine Wohnung suchen, sie trauten sich kaum, sich als Deutsche zu erkennen zu geben. Fast jeder zweite habe das Gefühl, dass sein «Deutschsein» ein Defizit darstelle. Die Studie belegt dies mit einer Befragung von 1000 in der Schweiz lebenden Deutschen.

Ein heikles Thema! Auch die Blick.ch-Leser – Deutsche wie Schweizer – diskutieren engagiert über das Thema. Und für viele ist der Nationenstreit in der Studie viel zu einseitig dargestellt. Sie interpretieren sogar die Ergebnisse genau umgekehrt. Zum Beispiel Leser Pius Sacher:

Formulieren wir die Zahlen mal um: 85 Prozent haben also NICHT das Gefühl, bei der Job- oder Wohnungssuche benachteiligt zu werden. 90 Prozent werden von der Polizei korrekt behandelt. 72 Prozent fühlen sich am Arbeitsplatz integriert. 80 Prozent erhalten keine blöden Kommentare. 67 Prozent verhalten sich ganz natürlich. 70 Prozent nehmen die Schweiz als Heimat wahr. Mal ehrlich, geht es uns Schweizern da in Deutschland besser? Wohl kaum. Also wieder mal ein Sturm im Wasserglas.»

Zahlen hin oder her – deutsche Leser sehen das Ganze zum Teil nicht so dramatisch. Und verlassen sich lieber auf die eigenen Erfahrungen. So wie Jan Henkel:

Also ich bin Deutscher in der Schweiz und mehr als glücklich. Schweizer sind nett und zuvorkommend und mein Verhalten war auch in Deutschland nicht «deutsch», sondern freundlich und offen so wie das Verhalten der meisten Schweizer. Ich denke die 30 Prozent lassen sich durch das Verhalten auf eine Quote, die auch in anderen Ländern üblich ist, senken.»

Auch Michael Berger hat als deutscher Zuzüger ganz anderes erlebt:

Das ist doch kompletter Unsinn. Ich bin Deutscher und lebe seit 7 Jahren in der Schweiz. Ich habe eine tolle Wohnung, einen super Job und viele Schweizer Freunde. Vielleicht liegt es daran, dass ich mich von Anfang an integriert habe. Mit mir muss man kein Hochdeutsch reden (..) Ich fühl mich richtig wohl und bin diese Drecks-EU los.»

Und nicht wenige Schweizer Leser brechen ein Lanze für ihre Arbeitskollegen aus dem Nachbarland: «Ich bin froh, kommen unsere deutschen Nachbarn zu uns arbeiten», schreibt Sarah Keller aus Winterthur. «Ganz ehrlich, ich schäme mich langsam Schweizerin zu sein. Ständig wird über die Deutschen hergezogen. Wo wäre denn unsere Wirtschaft oder unser Gesundheitssystem ohne die Deutschen?»

Und von Leser Reto Hauser kommt sogar ein grosses Sorry: «Ich entschuldige mich für meine Landsleute. Wer einfach aus blossem Rassismus und Vorurteilen Deutsche diskriminiert, ist einfach dumm, primitiv und ein schlechter Schweizer.» Schliesslich würden sich die Aargauer und die Zürcher auch gegenseitig mobben. Unsichere Menschen würden halt ihr «Mütchen an Minderheiten kühlen».

Natürlich sind die bekannten und benannten Vorwürfe an die Adresse der Deutschen in den Kommentaren der Blick.ch-Lesern ebenfalls zahlreich vertreten. So gesehen ist es nicht überraschend, dass sich die Expats in der Untersuchung negativ über ihr Leben in der Schweiz äusserten.

Doch tatsächlich lassen sich aus den Antworten der Deutschen in der Untersuchung auch positive Aspekte herauslesen. Zum Beispiel dass die Schweiz für 70 Prozent der Befragten «etwas», «stark» oder «sehr stark» zur Heimat geworden ist. (bih)

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