Deutsche haben Nase voll von miesepetrigen Landsleuten
Darum lieben wir die Bünzli-Schweiz

Deutsche Rückkehrer motzen über die Schweiz und ihre Bünzlis. Die Deutschen, denen es hier gefällt, ärgert das sehr.
Publiziert: 13.10.2013 um 20:10 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 16:09 Uhr
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Christhard Birkner (57): «Ich erfahre hier viel Liebe und Zuneigung».
Von Katia Murmann und Deborah Lacourrège

Rund 16'500 Deutsche hatten genug. Im letzten Jahr verliessen sie die Schweiz, gingen zurück in die alte Heimat. Viele von ihnen klagten über Bünzlis, rassistische Eidgenossen und zu hohe Kosten für die Krankenversicherung.

Vorläufiger Höhepunkt der Stimmungsmache: Vergangene Woche inszenierte der deutsche Journalist Christoph Plate (52) seine Rückkehr mit einem Essay in der «NZZ am Sonntag». Titel: «Nichts wie weg!» Die bösen Schweizer hätten ihn und seine Familie vertrieben. So viel Miesepetrigkeit nervt viele Deutsche, die gerne hier sind und bleiben. Vier von ihnen erklären im SonntagsBlick, warum sie die Bünzli-Schweiz lieben.

Matthias Estermann (42), Versicherungsfachmann in Luzern:
«Die Bünzligkeit zeigt sich zum Beispiel beim Parkieren mit den blauen, gelben und weissen Zonen. In Deutschland parkt jeder einfach, wie er will. Hier in der Schweiz gibt es gewisse Regeln, an die sich jeder halten muss, egal, ob er Bundesrat ist oder Schreiner. Das macht das Leben angenehm und leichter, es ist ein gegenseitiges Aufpassen, das ich sehr schätze. Deshalb liebe ich die Schweiz – und beantrage in der nächsten Woche meinen Pass!» Auf unserem Foto übt er schon mal mit seinem Objekt der Begierede. l

Christhard Birkner (57), Pfarrer in Glattfelden ZH:
«Während meines Studiums hiess es, man wolle keine deutschen Pfarrer in der Schweiz. Doch ich erlebte Gegenteiliges: Als ich meine erste Stelle in Niederbipp antrat, wurde mir wahnsinnig viel Liebe und Zuneigung entgegengebracht. Das ist auch hier in Glattfelden der Fall. Die viel kritisierte Zurückhaltung der Schweizer erlebe ich auch als etwas Schönes. Man lässt den anderen leben und mischt sich nicht ein.»

Eric Reiss (45), orthopädischer Chirurg in Oftringen AG:
«Ich lebe in einer ländlichen Umgebung und schätze das Miteinander und die soziale Eingebundenheit sehr. Auch die berühmte Entschleunigung erlebe ich als positiven Aspekt. Es gibt hier eine gewisse Konstanz und Verlässlichkeit, man fällt Entscheidungen überlegter. Nicht missen möchte ich die Produkte, die wir direkt im Hofladen kaufen: Milch, Eier, Fleisch und Obst.»

Stephanie Schäfer (23), Hotelangestellte in Zürich:
«Die Menschen in der Schweiz sind viel entspannter als in Deutschland. Sie sind ruhiger, regen sich nicht so schnell auf. Und der Schweizer Dialekt ist so lässig. Ich bin gern hier. Auch weil die Landschaft so schön ist, mit dem See, den Bergen. Das Essen ist lecker, Cervelats im Sommer, Raclette im Winter. Negativ ist nur, dass man mit Bussen so streng ist. Ich habe schon ein paar Strafzettel, weil ich zu schnell gefahren bin.»

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