Der 1.-Klasse-Intercity-Waggon war praktisch leer. Ich fuhr 2005 für BLICK zu einem Hintergrund-Gespräch mit Swisscom nach Genf.
Das interessanteste Gespräch hatte ich dann aber schon im Zug, als ich Carsten Schloter ein paar Abteile weiter entdeckte. Der damalige Swisscom-Mobile-Chef bat mich zu sich - und plauderte aus dem Nähkästchen.
So wollte er mit Swisscom Mobile kurz nach der Jahrtausendwende eine damals noch relativ unbekannte amerikanische Internet-Suchmaschine namens Google kaufen. Man habe sich bereits in der «Due Diligence»-Phase befunden, also die Bücher geprüft. Irgendwie kam es dann aber nicht zum Abschluss. Der Rest ist Geschichte.
Die Suche nach Abenteuer beschränkte sich bei Schloter nicht nur auf das Geschäftliche.
Der Sportler
Hätte er keinen Anzug, keine Krawatte angehabt. Wäre der braungebrannte Deutsche glatt als Surf- oder Skilehrer durchgegangen. Klar, fast jeder CEO joggt heutzutage. Carsten Schloter setzte aber noch einen drauf.
Schlank, muskulös, drahtig. Er war ein Sportmaniac. «Morgens ab fünf Uhr würge ich den inneren Schweinehund. Wenn ich das nicht mache, bin ich unausstehlich», diktierte er im April 2010 der «Schweizer Illustrierten».
In diesem Jahr nahm er auch an der legendären «Patrouille des Glaciers» teil, dem legendären Ski-Wettkampf in den Walliser Alpen. Gegenüber Medien spielt er die sportliche Höchstleistung herunter. Schliesslich sei er «nur die kleine» Patrouille gelaufen. Zu dritt. Und nicht um zu gewinnen. «Was uns motiviert hat, war das Team-Erlebnis.»
Du Carsten...
Man mag ihm das Understatement kaum glauben, auch wenn er als CEO immer überraschend ehrlich rüberkam. In geschäftlichen Dingen hart und glasklar, im Umgang locker. Carsten Schloter war es, die Swisscom-Belegschaft aufforderte, die «Du-Kultur» auch auf die Chefetage anzuwenden. Er war als iPhone-Fan mit der beste Swisscom-Kunde, probierte zu Hause alles selber aus. Standesdünkel waren ihm fremd.
Nachts um vier in Aigle
Dies zeigte sich auch bei seinem zweiten grossen Hobby: Dem Velofahren. Ebenfalls im Jahr 2010 traf ich ihn auf der Tortour, dem 1000-Kilometer-Nonstop-Velorennen rund um die Schweiz. Um vier Uhr nachts kreuzten sich unsere Wege auf einem Parkplatz vor einer Weinkellerei im Aigle im Wallis. Noch heute wurmt es mich, dass er als CEO die Strecke im fordernden 4er-Team absolviert hat. Und ich als Angestellter, der eigentlich mehr Zeit zum Trainieren gehabt hätte, im schlapperen 6er-Team.
Carsten Schloter war ein getriebener. Zur «Medienwoche» sagte er noch im März: «Ich war noch nie relaxed».
Nun ist seine Reise an einem Ende angekommen. Und wie alle frage ich: Wieso?