Werdende Eltern sollen bereits während der ersten zwölf Schwangerschaftswochen das Geschlecht des Embryos erfahren dürfen. Mit dieser Empfehlung stellt sich die Nationale Ethikkommission gegen den Bundesrat.
In der Schweiz bestehe keine Praxis der Geschlechterselektion, argumentiert die Ethikkommission im Bereich Humanmedizin (NEK) in einer am Freitag veröffentlichten Stellungnahme.
Deshalb spricht gemäss der Kommission auch nichts dagegen, einer Frau bereits in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen das Geschlecht ihres Embryos mitzuteilen, also wenn eine legale Abtreibung innerhalb der Fristenlösung noch möglich ist.
Zudem werde mit einem Verbot die «reproduktive Autonomie» in Frage gestellt, argumentiert die NEK weiter. Des Weiteren solle der Gesetzgeber ganz grundsätzlich davon absehen, Embryonen mit bestimmten Eigenschaften mehr als andere zu schützen. Andernfalls drohe die Gefahr einer Einteilung in lebenswertes und lebensunwertes Leben.
Rechtslage unklar
Der Bundesrat hingegen will im revidierten Bundesgesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen (GUMG) festschreiben, dass das Geschlecht grundsätzlich erst nach der zwölften Schwangerschaftswoche bekannt gegeben werden darf. Der Gesetzesentwurf soll diesen Frühling vorliegen.
Zwar ist eine solche Untersuchung bereits heute theoretisch verboten. Wird das Geschlecht des Embryos aber im Zusammenhang mit einer krankheitsbezogenen Untersuchung entdeckt, ist die aktuelle Rechtslage unklar.
Festgehalten ist einzig, dass der Arzt das Geschlecht des Embryos nicht mitteilen darf, wenn die Gefahr besteht, dass deswegen eine Schwangerschaft abgebrochen wird.
Neue Tests werfen Fragen auf
Hintergrund der Meinungsverschiedenheit sind neue sogenannte Nicht-Invasive Pränatale Tests (NIPT), die seit rund vier Jahren auf dem Markt sind.
Mittels Blutentnahme bei der Schwangeren können bereits zu einem frühen Zeitpunkt der Schwangerschaft Informationen über das Erbgut des Embryos erstellt werden. Im Gegensatz zu anderen Tests besteht bei der Blutentnahme kein höheres Risiko für eine Fehlgeburt.
Ständerätin Pascale Bruderer (SP/AG) hatte die Problematik der pränatalen Tests bereits vor drei Jahren ins Parlament getragen. Und sie steht bis heute hinter dem Informationsverbot: «Auch wenn es nicht viele Fälle sind und der Test nicht systematisch missbraucht wird, bin ich der Meinung, dass diese Hintertür zur Geschlechterselektion geschlossen werden soll.»
Die Ethikkommission warnt hingegen in ihrer Stellungnahme vor einer möglichen «Routinisierung» solcher Tests. Eine angemessene, gute Beratung der werdenden Eltern müsse gewährleistet sein. Die Aus-, Fort- und Weiterbildung von in diesem Bereich tätigen Fachpersonen sei dringend zu fördern und die Beratungszeit müsse angemessen vergütet werden. (SDA/gr)