Die Berner Justiz hat die Strafuntersuchung gegen den selbsternannten «Heiler» abgeschlossen. F.H. (53) wird seit längerem verdächtigt, Patienten mit Aids angesteckt zu haben. Die Anklage geht nun davon aus, dass er 16 Personen – mehrheitlich Musikschüler – bewusst infiziertes Blut spritzte. Der Mann führte ohne Bewilligung eine Akupunkturpraxis und eine Musikschule in Bern.
Er habe zwischen 2001 und 2005 sukzessive 16 Personen vorsätzlich mit HIV infiziert, teilt die zuständige Staatsanwaltschaft heute mit. Der Mann habe sich von einer oder mehreren bereits infizierten Personen Blut beschafft und dann mit diesem seine Opfer angesteckt. Er brachte die Opfer unter verschiedenen Vorwänden dazu, sich von ihm stechen zu lassen. Anderen Opfern stach er unangekündigt mit einem Gegenstand beispielsweise in den Rücken. Der «Heiler» servierte einigen Opfern auch ein Getränk, um sie bewusstlos zu machen und sie dann zu infizieren.
«Der Stich fühlte sich an wie von einer Impfung»
Im Jahr 2010 machte der Sonntagsblick den unglaublichen Fall publik (lesen Sie hier den ganzen Artikel). Darauf melden sich mehrere Opfer («Der Stich fühlte sich an wie von einer Impfung»).
Ein Besuch von Thomas K.* im Frühling 2004 beim «Heiler» veränderte das Leben des Familienvaters für immer. Der Heiler bat seinen «Patienten», das Hemd auszuziehen und sich bäuchlings auf einen Perserteppich zu legen. Mit dem Hinweis, er sei gleich zurück, verliess F.H. das Zimmer.
Als er zurückkehrte, trug er in der linken Hand einen Stein. Die rechte Hand verdeckte ein bräunliches Tuch. Der «Heiler» legte den Stein auf den Boden. so dass ihn Thomas K. sehen konnte. Er solle sich nun auf den Stein konzentrieren, bat F.H. den Patienten. Mit der Bemerkung, es werde nun einen kurzen, vielleicht leicht schmerzhaften Piks absetzen, stach er Thomas K. mit einer Nadel oder etwas Ähnlichem in die rechte Schulter.
«Es fühlte sich an, als ob ich eine Impfung gehabt hätte», sagt Thomas K. Es war der Moment, als ihm der «Heiler» HIV-verseuchtes Blut in den Rücken spritzte. Ende Mai 2004 wurde Thomas K. schwer krank, verlor in wenigen Tagen 10 Kilogramm an Gewicht. Ein Aids-Test im Juni 2004 war dann HIV-positiv.
Heiler bestreitet alles
Der «Heiler» bestreitet alle Vorwürfe der Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland. Die Untersuchung lief seit 2005.
Unter anderem mussten aufwändige Gutachten über die genetische Verwandtschaft zwischen den Hi-Virenstämmen der Betroffenen eingeholt werden.
Die Untersuchung dauerte auch so lange, weil die Patientenliste, die das Inselspital den Behörden zukommen liess, aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes keine Namen enthielt. Solange die Ermittler die Identität der Betroffenen nicht gekannt hätten, seien auch keine Untersuchungen zu dem Umständen ihrer HIV-Infektion möglich gewesen.
F.H. wird wegen mehrfacher schwerer Körperverletzung und Verbreitung menschlicher Krankheiten in 16 Fällen angeklagt. Wann der Prozess vor dem Regionalgericht Bern-Mittelland stattfindet, ist noch nicht bekannt. F.H. befindet sich auf freiem Fuss. (btg)