Laut ist die Kritik am Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA nicht erst seit heute: Der hochumstrittene Vertrag namens TTIP will die beiden Volkswirtschaften zusammenbringen. Seit Monaten protestieren regierungskritische Kreise gegen die Verhandlungen, deren Inhalte teilweise wie ein Staatsgeheimnis behandelt werden.
Zumindest bis heute: Umweltaktivisten von Greenpeace veröffentlichten nun gut 240 Seiten Verhandlungsprotokolle und Vertragsentwürfe. Die haben es in sich: Die Rede ist von Zollabbau für Agrarprodukte, Schiedsgerichten für Eigentumsfragen, Liberalisierung beim Genmais.
Das bereitet Schweizer Bauern Sorge. Zwar sei man nicht grundsätzlich gegen ein Freihandelsabkommen, sagt etwa Francis Egger vom Schweizer Bauernverband (SBV). TTIP könne dann aber gefährlich werden, wenn Einfuhrkontingente und -zölle wegfallen würden. «Dann könnten in der Schweiz Bauernbetriebe verschwinden», sagt Egger und schätzt, dass dies rund 14'000 Betrieben die Existenz kosten könnte.
Die Liste der Kritikpunkte der Bauern ist lang:
Zuger Kirsch aus den USA: Bedenken haben die Schweizer Bauern, weil die USA die Herkunftslabel AOP oder IGP nicht anerkennen könnten. Diese Label werden Produkten verliehen, die eine starke Verbindung zu ihrer Ursprungsregion haben – beispielsweise Walliser Raclette oder Zuger Kirsch.
Gentech-Food: Die Schweizer Konsumenten wünschten keine Gentech-Nahrungsmittel, sagte Egger. Solche könnten dann auf den europäischen Markt kommen, wenn die USA ihre Standards beim Konsumentenschutz durchsetzen könnten. Allerdings ist nicht klar, ob dies der Fall sein wird.
Chlor-Güggeli: Die Bauerngewerkschaft Uniterre warnt auf ihrer Webseite, dass mit TTIP Chemikalien wie Chlor bei der Produktion von Pouletfleisch erlaubt werden könnten. Zudem könnte TTIP Fleisch aus den Nachkommen geklonter Tieren zulassen.
Genau dies und andere tiefen Standards wollen die USA jedoch laut der von Greenpeace veröffentlichten Geheimdokumente bei den Verhandlungen durchdrücken. Offenbar als Verhandlungspfand für erleichterte Bedingungen von EU-Industriegüter wie zum Beispiel Autoteile.
Die Umweltorganisation fürchtet, dass die Europäer einknicken und ihre Standards aufweichen werden. Sie hat deshalb heute in einer Pressekonferenz den Abbruch der Verhandlungen verlangt.
Handelskammer spricht von «Verhandlungstaktik»
Für Martin Naville, den Chef der Schweizerisch-Amerikanischen Handelskammer ist das allerdings reine Verhandlungstaktik. Naville ist der Meinung, «dass da jemand von europäischer Seite Druck auf die Amerikaner ausüben» wolle. «In solchen Verhandlungen schlachtet man die heiligsten Kühe immer erst ganz am Schluss», sagte Naville gegenüber der Nachrichtenagentur sda.
Daher sei es auch nicht erstaunlich, dass Washington die Exporterleichterungen für die europäische Autoindustrie in Frage stelle, um zu erreichen, dass die EU mehr US-Agrarprodukte abnehme, sagte Naville.
Am Freitag ging die 13. Verhandlungsrunde zwischen der EU und den USA zu Ende. Beide Seiten wollen die Gespräche noch in diesem Jahr abschliessen. Zahlreiche Wirtschaftsvertreter haben bereits gefordert, dass die Schweiz nicht abseits stehen dürfe, falls TTIP zustande komme. (SDA/bih/pma)