Aufstand der Fahrenden
«Wir sind normale Schweizer Bürger!»

Sie gehen zur Arbeit, leisten Militärdienst, zahlen Steuern. Trotzdem fühlen sich die Jenischen verfolgt – wie jetzt wieder im Kanton Bern.
Publiziert: 27.04.2014 um 12:12 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 15:45 Uhr
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«Wir kämpfen um unsere Existenz»: Joseph, Mike und Claude Gerzner sowie Gérard Mühlhauser (v. l.).
Foto: Peter Gerber
Von Leo Ferraro

Ein Volk kämpft um seine Existenz. Mit rund 70 Wohnwagen haben sich Schweizer Jenische auf dem ehemaligen Expo-Gelände in Nidau BE niedergelassen. Sie wollen mit ihrem Protest auf ihre schwierigen Lebensumstände aufmerksam machen: «Wir sind keine Zigeuner und Diebe. Wir lassen auch keinen Dreck zurück», sagt Sprecher Gérard Mühlhauser (32). «Wir sind normale Schweizer Bürger, sind in der Heimatgemeinde angemeldet, zahlen Steuern und machen Militär. Der einzige Unterschied zur übrigen Bevölkerung ist, dass unsere Häuser Räder haben.»

Das Volk der Jenischen droht seine Lebensgrundlage zu verlieren. Obwohl der Bund 1999 vertraglich festhielt, wie viele Standplätze die Kantone zur Verfügung stellen müssen, fehlen den Jenischen heute rund 20 Stand- und 40 Durchgangsplätze. «Nirgends will man uns haben, man drängt uns an den Rand der Gesellschaft», sagt Mühlhauser. «Unser Protest ist ein Hilfeschrei.»

Am Freitag hat die Polizei die Jenischen aus Bern verjagt. Dort hatten sie sich auf dem BEA-Gelände niedergelassen. Jetzt sind sie in Nidau BE – und auch dort nicht willkommen. Mike Gerzner (30), Präsident der Schweizer Jenischen, führt die Verhandlungen mit der Gemeinde. Die hat ein Ultimatum gesetzt. Bis Montag sollen die Jenischen das Gelände geräumt haben.

Doch sie wollen bleiben. Und haben der Gemeinde ein Mietangebot für den Kiesplatz unterbreitet: 15 Franken pro Tag und Wagen. «Wir wollen von niemandem etwas geschenkt. Wir wollen nur, was uns der Bund versprochen hat», sagt Gerzner. Die «reisende Lebensweise» ist eine jahrhundertealte Tradition. Viele sind Händler oder Scherenschleifer, einige verkaufen Textilien oder sammeln Altmetall. Auch Handwerker, Maler, Spengler oder Schreiner bieten ihre Dienste an.

«Wir stehen um 6 Uhr auf und kommen um 18 Uhr von der Arbeit nach Hause», sagt Textilienverkäufer Claude Gerzner (46). «Einige fahren an Märkte, andere gehen immer noch traditionell von Tür zu Tür wie unsere Vorfahren.» Wenn der Markt der Region mit ihren Dienstleistungen gesättigt ist, ziehen die Jenischen weiter. «Wir reisen unseren Kunden nach», sagt Gerzner.

Von ehemals 35 000 Jenischen sind heute nur noch rund 4000 bis 5000 in der Schweiz unterwegs. Das Volk blickt auf eine traumatische Vergangenheit zurück. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurde es in der Schweiz verfolgt. Bis 1973 entriss das Hilfswerk «Kinder der Landstrasse» von Pro Juventute jenischen Eltern ihre Kinder. Dieses Trauma ist auch bei der jungen Generation noch präsent. Das zeigte sich bei der Polizeiaktion in Bern. Gérard Mühlhauser sagt: «Als die Polizei selbst den Kindern die Hände fesselte und sie nummerierte, brachen einige Frauen in Panik aus. Sie dachten, die Polizei nehme ihnen jetzt wieder die Kinder weg.»

Unterstützung erhalten die Jenischen von SVP-Nationalrätin Yvette Estermann. Sie hat im März im Nationalrat eine Interpellation eingereicht. «Schweizer Jenische dürfen nicht in einen Topf mit ausländischen Gruppierungen wie Sinti und Roma geworfen werden. Das sind normale Schweizer Bürger», sagt Estermann. Sie fordert von kantonalen Politikern, dass sie sich für die Rechte der Jenischen einsetzen. «Bei dieser negativen Stimmung in der Bevölkerung befürchten wohl viele, Stimmen zu verlieren.»

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