Die Anklageschrift löst Ekel aus. Es geht um 12'346 Bilder und 699 Videos. Inhalt: nackte Buben mit nackten Männern. Es sind Filme mit Titeln wie «Die perverse Kindertagesstätte – Teil 1». T. N.* hatte sie über Jahre aus dem Internet heruntergeladen, während er im Kinderspital Aarau als Arzt kleine Patienten behandelte.
Im Herbst 2012 kommen die Schweizer Behörden durch Ermittlungen in Skandinavien per Zufall auf seine Spur. Bei einer Hausdurchsuchung stellen sie zwei Notebooks und externe Festplatten sicher. Am Dienstag stand der Pädo-Kinderarzt vor dem Bezirksgericht Aarau. Das Urteil: eine bedingte Geldstrafe von 74'400 Franken. Eine Busse von 10'000 Franken muss er sofort bezahlen. Aber als Arzt darf der 35-Jährige weiter praktizieren. Ein Berufsverbot braucht es laut einem Gutachten der zuständigen Ärztegesellschaft nicht. Sie empfiehlt nur, dass N. künftig nicht mehr beruflich mit Kindern in Kontakt kommen soll.
Rechtskräftig ist das Urteil noch nicht. Mit Kindern arbeitet der Arzt aber angeblich ohnehin nicht mehr. Nachdem das Verfahren gegen ihn eingeleitet worden war, suchte er laut Tele M1 das Gespräch mit seinen Vorgesetzten im Kinderspital Aarau. Das Arbeitsverhältnis wurde sofort aufgelöst. Das Kinderspital möchte sich nicht direkt zu seinem ehemaligen Mitarbeiter äussern. Es seien jedoch weder Verdachtsfälle aufgetreten, noch hätten sich mögliche Geschädigte bei der Klinik gemeldet. Mittlerweile praktiziert T. N. als Oberarzt für innere Medizin in einem Kantonsspital der Innerschweiz.
Aber: Soll so ein Mediziner wirklich weiter praktizieren dürfen? Moralisch eine schwierige Frage. Patientenschützerin Margrit Kessler (66) sagt: «In diesem Fall braucht es kein Berufsverbot. Der Mann muss ja arbeiten – und bei Erwachsenen ist er nicht gefährlich.» Aber es müsse unbedingt sichergestellt werden, dass er nie wieder mit Kindern arbeiten dürfe.
Die Patientenschützerin fordert, dass spezielle Neigungen und Verurteilungen in einem Register gespeichert werden müssen, das für potenzielle Arbeitgeber einsehbar ist. «Es kann nicht sein, dass jemand von einem Kanton in einen anderen ziehen kann, ohne dass so etwas dem Arbeitgeber mitgeteilt wird, weil der Datenschutz höher gewertet wird als der Schutz der Opfer», sagt sie.
Ob das Spital, in dem N. arbeitet, von seinem Verfahren gewusst hat, will dort niemand sagen. Generell würden Oberärzte vor ihrer Anstellung einem Bewerbungs- und Assessmentverfahren unterzogen, heisst es. Und man hole Referenzen ein. Strafregisterauszüge gehörten aber nicht zum Standardprogramm, sofern keine entsprechenden Anhaltspunkte bekannt seien.