689 neue Firmen in fünf Jahren
Sicherheitsbranche macht Kasse mit unserer Angst

Private Sicherheitsfirmen boomen. Das bereitet der Polizei Sorgen. Denn vielerorts sind die Angebote kaum reguliert.
Publiziert: 26.03.2017 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 03:00 Uhr
Er sorgt für die Sicherheit der Schönen und Reichen
3:09
BLICK unterwegs mit der SecuriPatrol:Er sorgt für die Sicherheit der Schönen und Reichen
Roland Gamp

Für Simonetta Sommaruga (56, SP) steht fest: «Ein Anschlag wie in London oder Berlin kann auch uns treffen.» Das sagte die Justiz- und Polizeiministerin diese Woche im BLICK. Entsprechend gross ist das Unbehagen der Bevölkerung. Das merken auch jene, die für Sicherheit sorgen. «Der Terrorismus schüchtert die Bevölkerung ein, ihr Sicherheitsempfinden nimmt ab», sagt Johanna Bundi Ryser (51), Präsidentin des Verbandes Schweizerischer Polizeibeamter. Daraus möchten private Sicherheitsanbieter Kapital schlagen. Bundi Ryser formuliert es so: «Viele versuchen, mit den Ängsten der Bevölkerung Kasse zu machen.»

Der Wirtschaftsinformationsdienst Bisnode D & B hat für SonntagsBlick die Sicherheitsbranche durchleuchtet. In den letzten fünf Jahren wurden 689 Firmen gegründet. Nur 99 meldeten in dieser Periode Insolvenz an. Im Trend liegen Anbieter von Überwachungs- und Alarmsystemen. Und vor allem private Wach- und Sicherheitsdienste. Deren Angestellte kontrollieren die Besucher von Grossveranstaltungen. Sie bewachen öffentliche Gebäude und Plätze sowie Asylheime. Und sie patrouillieren in Dörfern.

Private übernehmen dort, wo die Polizei zuständig wäre

Beim Verband der Polizeibeamten ist man über den Trend besorgt. «Private Sicherheitsdienste übernehmen immer mehr Aufgaben im öffentlichen Raum. Also dort, wo eigentlich die Polizei zuständig wäre und der Staat das Gewaltmonopol innehat», so Bundi Ryser.

Verantwortlich für diesen Wandel sind auch Gemeinden, Kantone und der Bund. «Sie setzen aus Kostengründen immer häufiger auf private Sicherheitsfirmen statt auf dafür ausgebildete Polizisten.»

Hier wird die Sache problematisch. Denn in einigen Kantonen brauchen Anbieter pri­vater Sicherheitsdienste keine Bewilligung. «So lässt sich natürlich nicht gewährleisten, dass die Firmeninhaber und ihre Mitarbeitenden für ihre Aufgaben geeignet sind und über einen guten Leumund verfügen», sagt Roger Schneeberger (60), Generalsekretär der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD).

«Schwarze Schafe schaden der gesamten Branche»

In der Westschweiz sorgt ein Konkordat für einheit­liche Mindestanforderungen. Am 6. April entscheidet die KKJPD, ab wann ein solches auch in der Deutschschweiz umgesetzt wird. Allerdings machen mehrere Kantone nicht mit. «Darunter Zürich, Luzern und Aargau, in denen mehr als die Hälfte aller Sicherheitsfirmen angesiedelt ist», so Schneeberger. «Deshalb sind wir heute nach wie vor weit entfernt von einer einheitlichen Regelung.»

Auch der Branchenverband selbst würde landesweite Mindestanforderungen begrüssen. «Zum Beispiel, dass jeder Mitarbeiter einen Strafregisterauszug vorweisen muss und Aus- und Weiterbildungen absolviert», sagt Wolfram Manner (62), Managing Director des Verbandes Schweizerischer Sicherheitsdienstleistungs-Unternehmen (VSSU). Ohne Regelungen würden immer wieder zwielichtige Figuren für Sicherheitsfirmen arbeiten. «Und solche schwarzen Schafe schaden der gesamten Branche.»

Bundesrat spielt auf Zeit

Der VSSU unterstützt nun eine Motion von Priska Seiler Graf (48, SP). Die Nationalrätin forderte den Bundesrat auf, private Sicherheitsdienstleistungen einheitlich zu regulieren. Doch dieser beantragte im Feb­ruar die Ablehnung des Vorstosses: Es sei «verfrüht, auf Bundesebene gesetz­geberisch tätig zu werden». Man werde «gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt den Erlass von Mindestvorschriften prüfen».

Für Seiler Graf ist das nicht nachvollziehbar. «Es kann nicht sein, dass Leute, die in einem solch sensiblen Bereich arbeiten, nicht strenger kontrolliert werden», sagt sie. «Man sollte jetzt handeln – bevor etwas Gravierendes passiert.»

IS-Rekrutierer in der Dumping-Firma Argo 1

Ende Februar kam das Tessiner Sicherheitsunternehmen Argo 1 in die Schlagzeilen. Im Zuge von Terror-Ermittlungen der Bundesanwaltschaft wurde einer seiner Mitarbeiter verhaftet. Der 36-jährige türkisch-schweizerische Doppelbürger soll Kämpfer für den IS rekrutiert haben. In den Tagen darauf wurde bekannt, dass auch gegen den Chef von Argo 1 ein Verfahren läuft – wegen Gewalt und Freiheitsberaubung gegenüber mindestens einem Asylbewerber. Vor Wochenfrist musste sich der zustän­dige Departementschef, Paolo Beltraminelli (55, CVP), im Tessiner Kantonsparlament er­klären. Er sagte aus, dass die Firma 2014 den Auftrag zur Bewachung der Asylunterkunft bekam – für 35 Franken pro Stunde.

Ende Februar kam das Tessiner Sicherheitsunternehmen Argo 1 in die Schlagzeilen. Im Zuge von Terror-Ermittlungen der Bundesanwaltschaft wurde einer seiner Mitarbeiter verhaftet. Der 36-jährige türkisch-schweizerische Doppelbürger soll Kämpfer für den IS rekrutiert haben. In den Tagen darauf wurde bekannt, dass auch gegen den Chef von Argo 1 ein Verfahren läuft – wegen Gewalt und Freiheitsberaubung gegenüber mindestens einem Asylbewerber. Vor Wochenfrist musste sich der zustän­dige Departementschef, Paolo Beltraminelli (55, CVP), im Tessiner Kantonsparlament er­klären. Er sagte aus, dass die Firma 2014 den Auftrag zur Bewachung der Asylunterkunft bekam – für 35 Franken pro Stunde.

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