Wir sitzen hier im Briefing-Room der Patrouille Suisse auf dem Militärflugplatz Emmen LU. Sie haben eben einen Trainingsflug absolviert. Spüren Sie als Pilot und Leader der Patrouille Suisse das Adrenalin noch im Blut?
Simon Billeter: Adrenalin vielleicht weniger. Aber ich spüre noch die Anspannung von der Konzentration. War die Vorführung gut, stellt sich ein gutes Gefühl ein.
Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie in Ihrem Jet Kapriolen in der Luft machen?
Unsere Vorführung dauert 22 Minuten. Da bin ich 100 Prozent aufs Fliegen konzentriert – und habe keine Zeit, um links oder rechts noch etwas zu studieren oder zu überlegen, was ich zum Znacht kochen will.
(Vor dem offenen Fenster dröhnt ein startender F/A-18. «Billy» hält sich die Ohren zu.)
An den Lärm haben Sie sich als Kampfjet-Pilot nicht gewöhnt?
Das ist ein Reflex, wir müssen das Gehör schützen. Diese Power des Triebwerks hat schon eine gewisse Lautstärke. Aber in der Disco ist es immer noch lauter.
Zurück zum Einsatz, zu Ihrer Show. Ist diese immer gleich oder gibts ein Spezialprogramm an der AIR14 zum 50-Jahr-Jubiläum, das Patrouille Suisse an den nächsten beiden Wochenenden in Payerne feiert?
Das Standardprogramm fliegen wir immer gleich. Ausserdem hats drei wetterabhängige Unterprogramme – Schönwetter, Mittelwetter und Schlechtwetter. Und an der AIR14 planen wir verschiedene spezielle Flüge als Überraschung, da möchte ich aber jetzt noch nichts verraten.
Sie fliegen bei jedem Wetter?
Fast. Bei schlechter Sicht und tief hängenden Wolken fliegen wir nicht. Das würde nichts bringen, die Zuschauer sähen uns nicht. Ob wir einen Looping fliegen können oder eine Walze, entscheide ich in der Luft – je nachdem, wie tief die Wolkenuntergrenze ist.
Den Entscheid fällen Sie als Leader der Patrouille Suisse und funken diesen an Ihre Kollegen?
Ja. Ich bin die ganze Zeit über am Reden, spreche das Programm durch und gebe die Kommandos für Rauchausstoss oder Formationswechsel. Die anderen schauen nur auf mich, sie müssen mir blind folgen. Wenn ich mich verschätze, würden wir je nachdem alle zusammen irgendwo hineinfliegen.
Damit wir uns ein Bild machen können: Wie hoch fliegen Sie, wie nah beieinander, wie schnell?
Je nach Formation sind wir 100 bis 300 Meter über Grund und 250 bis 500 Knoten schnell, das sind etwa 450 bis 900 Stundenkilometer. Der Abstand zwischen den Fliegern liegt zwischen drei und fünf Metern …
… das ist wahnsinnig wenig.
Das ist natürlich nicht sehr viel, aber dafür trainieren wir ja.
Haben Sie nie Angst?
Nein, Angst wäre fehl am Platz. Ein gewisser Respekt ist aber gut. Entsprechend bereiten wir uns vor, kennen die Eigenheiten und Hindernisse des Orts, an dem wir fliegen, im Detail.
Und Ihre Familie: Hat sie Angst um Sie?
Nein. Ich glaube, es wäre nicht gut, wenn die Familie zu Hause Angst um mich hätte, wenn ich zur Arbeit gehe, also zum Fliegen.
War Pilot Ihr Bubentraum?
Für mich wars ein Bubentraum, ja! Als kleiner Bub habe ich immer in den Himmel hinaufgeschaut, wenn ein Flugzeug vorbeiflog.
Das kam offenbar häufig vor.
Ich bin im Zürcher Säuliamt aufgewachsen. Das liegt zwischen dem ehemaligen Militärflugplatz Dübendorf und Emmen. Damals kamen noch Mirage und Hunter auf Aufklärungsflügen tief in die Reussebene.
Fliegen ist für Sie nicht nur ein Job, sondern auch Spass...
Bei jedem Piloten ist sehr viel Leidenschaft dabei. Es ist eine harte Ausbildung, und man durchläuft lange Selektionsverfahren. Das schafft man nur, wenn man voll motiviert ist.
Sie sind ein Glückspilz: Seinen Traum zu verwirklichen, ist nicht allen vergönnt.
Für mich ist es genial, dass ich meinen Bubentraum leben darf!
Die Faszination «Fliegen» hätten Sie auch als Linienpilot haben können. Was war der Kick für den Kampfjetpiloten?
Was ich als Militärpilot mache, alle Einsätze, die ich fliege, sind sehr spannend. Die Linienfliegerei bewegt sich in einem etwas engeren Rahmen, man fliegt von A nach B. Die Passagiere sind froh, wenn man «süferli» fliegt. Wir haben ein bisschen mehr Freiheiten, können unsere Flugwege und anderes selber bestimmen.
Die Luftwaffe ist also attraktiver.
Ja, fliegerisch ist sie für mich attraktiver. Wir haben alle Facetten. Auch den Kunstflug, das Dreidimensionale, das wir bei der Militärfliegerei machen können, beim Luftkampf umeinander herumdrehen. Das gibts bei der Linienfliegerei nicht.
Müssen die Piloten der Patrouille Suisse mehr können als andere?
Nein. Grundsätzlich ist jeder Militärpilot fähig, in der Patrouille Suisse zu fliegen.
Ihr Auswahlverfahren ist aber ziemlich speziell.
Weil wir selber entscheiden, wen wir aufnehmen?
Genau. Man kann sich nicht bewerben, sondern wird vom Team ausgewählt.
Ja genau, so ist es. Wenn einer das Team verlässt, sitzen wir zusammen und wählen einstimmig den aus, den wir dabeihaben möchten. Das muss nicht unbedingt der beste Pilot sein, sondern einer, von dem wir denken, dass er zu uns ins Team passt.
Sie fragen den Betreffenden aber schon an, ob er überhaupt mitmachen will, richtig?
Nein, der entsprechende Pilot weiss nichts von seinem Glück und ist meist ziemlich überrascht. Die Aufnahmemitteilung verpacken wir immer in einen kleinen Scherz. Gandalf, unser jüngster Zugang, haben wir nach den Ferien am Zoll festhalten und durchsuchen lassen – und erlösten ihn mit der Mitteilung, dass wir ihn in die Patrouille Suisse gewählt haben. Er war überrascht.
Sind die Flüge Ihrer Formation gefährlicher als andere Einsätze?
Nein, ich denke, sie sind überhaupt nicht gefährlicher. Wir üben ja intensiv dafür.
Sie sind Ersatz für reale Kampfeinsätze, richtig?
Kein bisschen. Wir machen mit der Patrouille Suisse Showflüge. Das ist Werbung für die Luftwaffe und für die Schweiz – und soll Nachwuchs generieren.
Echte militärische Einsätze fehlen Ihnen nicht?
Reale Einsätze oder Live-Einsätze habe ich mit dem F/A-18 schon – beispielsweise wenn wir am World Economic Forum (WEF) in Davos oder anderen internationalen Konferenzen den Luftraum schützen. Oder bei Luftpolizeieinsätzen, wenn ich in einem engen Tal ein fremdes Flugzeug identifizieren muss.
Dann ist Ihr Jet bewaffnet. Es könnte einen Schiessbefehl geben und Sie müssten abdrücken.
Das ist so, ja. Darum sind wir ja in der Luft: um den Luftraum zu schützen und uns nötigenfalls durchzusetzen.
Die Patrouille Suisse ist von der Auflösung bedroht. Ihre Tiger- Jets sind in die Jahre gekommen und sollen bis in zwei Jahren an die USA verkauft werden. Was tun Sie danach?
Wir wissen noch nicht so genau, wie es mit der Patrouille Suisse weitergehen wird. Das wird erst noch auf politischer Ebene entschieden. Sollte es sie nicht mehr geben, würden wir alle wieder zu hundert Prozent F/A-18 in unseren Staffeln fliegen.
Können Sie auch mit einem uralten Doppeldecker fliegen?
Ich durfte schon in einem Bücker und einem Stearman mitfliegen. Zum Selberfliegen würde ich aber schon ein paar Stunden mit einem Fluglehrer brauchen.
Sie sitzen in einem Linienjet, die Piloten fallen aus: Könnten Sie in einem Notfall eine Boeing oder einen Airbus landen?
Nein, das ist ein ganz anderes Fliegen. Die Systeme in Zivilflugzeugen unterscheiden sich komplett von den unseren. Man muss schon ganz genau wissen, welchen Knopf man wann drücken muss. In Kinofilmen mag das funktionieren, im realen Leben aber eher nicht.
Im Kampfjet fliegen Sie immer am Limit. Was war der gefährlichste Moment, den Sie je im Cockpit erlebt haben?
Bei einem F/A-18 ist einmal ein Triebwerk nicht mehr gelaufen – und ich musste mit nur einem Triebwerk zurückfliegen. Das war eine ungewöhnliche Situation, die man aber glücklicherweise im Simulator geübt hat.
Das tönt nicht sonderlich dramatisch ...
Ist es auch nicht.
Mehr Nervenkitzel gibts nicht?
Ich hatte natürlich auch schon Schrecksekunden, wenn man im Luftkampf merkt, dass man wohl ein bisschen näher gekreuzt hat als beabsichtigt. Aber das ist nicht dramatischer als eine Vollbremsung mit dem Auto. Das Herz klopft schneller, und dann ist es auch schon wieder vorbei.
Gibts in der Patrouille-Suisse-Show Flugfiguren, die einen Absturz oder eine Kollision simulieren, für den Nervenkitzel beim Publikum?
Nein! Es gibt zwar ein paar spektakuläre Figuren im Programm. Wir haben etwa die Solisten, die sich vom Hauptverband absplitten und Kreuzungen zeigen. Und wir haben den sogenannten Tunnel, bei dem der Hauptverband mit fünf Flugzeugen bei Tempo 450 eine Art Röhre bildet, durch die der Solist mit fast 1000 Stundenkilometern hindurchfliegt. Aber das ist alles Präzisionsflug, nicht Simulation einer Katastrophe.
Gab es in der Geschichte der Formation nie einen Unfall?
Die Patrouille Suisse feiert jetzt ihr 50-Jahr-Jubiläum – und zwar unfallfrei. Das freut uns! Zumal wir ein reines Amateur-Team sind, anders als die Profi-Teams im Ausland. Wir machen allerdings auch unser Programm etwas weniger spektakulär und fliegen mit grösseren Abständen.
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