Karl Weber sass im Unglücks-Zug von Rafz ZH
«Ich hätte sterben können»

Beim Bahnhof Rafz ist es zu einer Zugskollision gekommen, sechs Personen wurden verletzt. In beiden Züge waren Lokführer-Aspiranten. Ein Ausbildungslokführer (49) wurde schwer verletzt. Der Passagier Karl Weber erlebte den Crash hautnah mit.
Publiziert: 20.02.2015 um 07:21 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 23:22 Uhr
Crash in Rafz: Kippen des Zuges hätte «fatale Folgen»
2:15
:Crash in Rafz: Kippen des Zuges hätte «fatale Folgen»

Heute um 06.43 Uhr sind beim Bahnhof Rafz zwei Personen-Züge kollidiert. Gemäss Kantonspolizei Zürich wurden sechs Personen verletzt, eine davon schwer. Sanität, Feuerwehr und Rega sind im Einsatz, die Strecke zwischen Bülach und Schaffhausen ist vermutlich noch bis Mitternacht unterbrochen.

Beim Schwerverletzten handelt es sich um den 49-jährigen Lokführer des verspäteten Interregio. Die Feuerwehr musste ihn aus dem Führerstand der Lokomotive herausschneiden. Der Schweizer wurde mit einem Rega-Helikopter ins Spital gebracht. Insgesamt wurden sechs Personen verletzt. Es handelt sich bei ihnen um einen 35-jährigen Italiener, eine 44 Jahre alte Türkin und eine 28-jährige Frau aus Afghanistan sowie zwei 25- und 46-jährige Schweizer. Wie viele Passagiere in den Zügen waren, ist gemäss SBB-Sprecher Daniele Pallecchi unklar.

Jetzt wurde auch bekannt, dass beide in den Zusammenstoss involvierten Züge durch je einen Ausbildungslokführer und einen Lokführer-Aspiranten geführt wurden.

Die «Flankenfahrt» der Züge wird untersucht

Auf dieser Strecke verkehren die S-Bahn-Linien 5 und 22 sowie die Schnellzüge Zürich-Schaffhausen. Die SBB bestätigen auf Anfrage von Blick.ch den Unfall. Bei der Ausfahrt aus dem Bahnhof Rafz Richtung Schaffhausen sei es zu einer seitlichen Kollision – einer sogenannten «Flankenfahrt» – mit einem Schnellzug gekommen, der ebenfalls nach Schaffhausen fuhr.

Warum es in Rafz zum Zusammenstoss kam, sei Gegenstand der laufenden Untersuchungen. Fest steht bisher, dass der Interregio mit Verspätung unterwegs war. Ob der Lokführer die Verspätung aufholen wollte, ist nicht klar. Auch die Schäden an den Anlagen seien noch nicht abschätzbar, schreiben die SBB in einer Mitteilung.

Wie die Chefin SBB-Personenverkehr Jeannine Pilloud zu Blick.ch sagt, seien auf der stark befahrenen Strecke die neuste Generation von Stellwerken montiert. Konkret: Signum und ZUB kombiniert. Ersteres warnt den Lokführer beim so genannten Vorsignal, wenn der Zug auf ein Haltesignal zusteuert. Hält der Lokführer nicht an, wird der Zug automatisch abgebremst. Das System «ZUB» wiederum überwacht die Geschwindigkeit des Zuges zwischen Vor- und Hauptsignal.

Experte Walter von Andrian, Chefredaktor Schweizer Eisenbahn-Revue, erklärt genauer: «Beim System «Signum» wird der Zug beim Überfahren des Rotlichts automatisch gebremst. Das Problem: Der Zug braucht einen langen Bremsweg, bis er vollständig zum Stillstand kommt. Das System «ZUB» (Zug-Beeinflussungssystem) bremst den Zug schon früher, vorausgesetzt, er fährt zu schnell auf ein Rot-Signal zu. Der Haken: Wenn der Zug – wie in diesem Fall möglich – unmittelbar zuvor gewendet wurde, reagiert das System noch nicht. Wenn der Zug von Zürich her gekommen wäre, im Bahnhof Rafz gehalten hätte und dann weiter Richtung Schaffhausen gefahren wäre, hätte das System reagiert. Da der Zug jedoch in Rafz gewendet hat, war das System noch nicht bereit. Es wäre erst ab dem nächsten Signal in Betrieb gewesen.»

Wie ein Blick-Leserreporter berichtet, sind mehrere Waggons entgleist und stehen schief auf einer Brücke. Auch der Strassenverkehr, der unter der Brücke durchführt, ist beeinträchtigt: Autofahrer werden grossräumig umgeleitet, da die Brücke zunächst einer statischen Prüfung unterzogen werden muss.

Lokführer soll «Signal verwechselt» haben

Einer Meldung auf Twitter zufolge soll der Lokführer der S-Bahn ein Signal verwechselt haben, worauf es bei der Bahnhofsausfahrt zur Entgleisung kam.

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Gemäss SBB war der Interregio unterwegs nach Schaffhausen - ohne Halt in Rafz. Er fuhr auf dem Aussengleis durch den Bahnhof, als die S-Bahn die Fahrt in die gleiche Richtung aufnahm und den Interregio aus den Schienen kippte.

Bei der seitlichen Streifkollision entgleiste der Interregio. Die Lokomotive und mehrere Waggons des Interregio neigten sich zur Seite.

«Ich sass im Wartehäuschen, weil die S-Bahn nach Zürich Verspätung hatte», erzählt Leserreporter Lars Fehr (20) Blick.ch. «Plötzlich gab es einen lauten Knall.» Bei der Kollision seien mehrere Wagen entgleist.

«Beide Züge fuhren in die gleiche Richtung. Der Schnellzug fährt hinter der S-Bahn durch, weiter vorne kommen sie wieder zusammen», erklärt der Leserreporter die Situation. Dort seien sie seitlich ineinander gekracht.

Nach der Kollision rief eine Frau die Polizei an, einige Personen gingen zum entgleisten Zug. «Der Lokführer der S-Bahn stieg aus, zog eine Signalweste an und brachte die Passagiere aus dem Zug», so Fehr.

Die SBB haben für die Betreuung der Betroffenen ein Care-Team vor Ort. In Rafz, Bülach, Jestetten und Schaffhausen stehen zudem Kundenbetreuer im Einsatz.

Folgende Zugverbindungen sind gemäss SBB vom Zwischenfall betroffen:

Die Züge IC 18x/28x Zürich HB - Stuttgart Hbf werden umgeleitet über Winterthur. Die Gesamtreisezeit verlängert sich um 15 Minuten.

Die Züge IR 28xx Zürich HB - Schaffhausen fallen aus.

Die Züge RE 49xx Zürich HB - Bülach - Schaffhausen fallen zwischen Bülach und Schaffhausen aus.

Die Züge S5 Pfäffikon SZ - Rafz fallen zwischen Hüntwangen-Wil und Rafz aus

Die Züge S22 Zürich HB - Schaffhausen - (Singen) fallen zwischen Hüntwangen-Wil und Jestetten (D) aus.

Reisende von Zürich HB nach Schaffhausen reisen via Winterthur.

Auf dem betroffenen Streckenabschnitt sind zudem Ersatzbusse unterwegs. Es muss jedoch mit längerer Reisezeit gerechnet werden.

(cat/lex/SDA)

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