In Gummistiefeln steht August «Gold-Gusti» Brändle (61) im eisig kalten Rheinwasser und kippt Kessel um Kessel in die Schleuse. «Das Gold liegt immer unter dem Kies am Kübelboden», sagt der Goldjäger. Er ist überzeugt: «Heute finden wir ein Nugget!»
Der Ort ist bei Goldfreunden beliebt. Schatzsucher aus ganz Europa kommen zur Lukmanierschlucht im Bündner Oberland. Gegen 2000 sind es im Jahr. Auch der Deutsche Alfons Ludwig sucht zwischen steilen Felswänden, Föhren und Tannen im Rheinwasser sein Glück. «Disentis ist bei uns als kleine Goldgrube bekannt», sagt er.
Diesen Ruf verdankt der Ort unter anderem August Brändle. Der gebürtige Stadtzürcher und gelernte Baumaler wohnt seit 21 Jahren in der Surselva, und Goldwaschen ist mittlerweile sein Beruf. Fast täglich steht er im kalten Wasser. «Der Nervenkitzel ist nirgends grösser», sagt er. «Wenn ich ein Stück finde, schiesst mir das Adrenalin in die Adern.» Es ist aber auch die Hoffnung, nochmals ein «ganz grosses Goldnugget zu finden», die ihn antreibt.
Der 14. Juni 1996 war der Tag seines Lebens. Gegen Mittag stiess Gusti Brändle auf einen harten Klumpen. «Plötzlich hielt ich ein riesiges Nugget in der Hand, gross wie ein Fünfliber. Das war ein sagenhaftes Glücksgefühl.»
Er taufte das Rekord-Stück «Desertina». Es ist 2,9 Zentimeter gross, wiegt 48,7 Gramm und hat einen Wert von 50 000 Franken. «Es ist bis heute das grösste Nugget aus dem Rhein Medel.»
Verkauft hat er den Brocken nicht. Zu sehr hängt sein Herz an ihm. Einzig der Gemeinde Disentis hätte er ihn gegeben, aber: «Die wollten nicht so viel dafür bezahlen.»
Das Rekord-Nugget liegt heute dennoch in einer Vitrine des örtlichen Museums. Als Leihgabe. «So haben alle etwas davon, auch die Touristen», sagt Gold-Gusti. Der Fund löste damals einen Goldrausch aus. Und tatsächlich zog ein Jahr später ein Mann aus Winterthur ZH einen 123,1 Gramm schweren Klumpen aus dem Vorderrhein. «Das war hart», gesteht August Brändle und senkt den Kopf. «Zumal ich ihm noch Tipps über die besten Fundorte gegeben habe.»
An welcher Stelle die grössten Stücke liegen, weiss keiner besser als Gold-Gusti. Und so bietet er Kurse im Goldwaschen an – mit «Gold-finde-Garantie», wie er sagt.
Einer, der seit drei Jahren nach Disentis kommt, ist Roman Brändli (38). Der Chefbeleuchter aus Wald im Zürcher Oberland besucht bei seinem Fast-Namensvetter einen Intensiv-Einzelkurs. «Ich will den Rekord brechen und ein Supernugget finden», sagt Brändli, der bei jedem Wetter ins Wasser steigt. Auch im Winter, wenn die Saison offiziell vorbei ist. «Es gibt mir jedes Mal einen wahnsinnigen Kick, wenn es im Wasser golden leuchtet.»
Noch vor dem Mittag ziehen die Männer die Gummistiefel über, packen Schaufel, Kessel und Waschpfanne ein und waten durch das kalte Gewässer. «Das Gold liegt immer in der Kurveninnenseite, unter den Steinen im Sand», lehrt der Meister. Die beiden kehren Stein um Stein, schaufeln Kies beiseite, füllen die Behälter mit Geschiebe und kippen es in die Schleuse – hängen bleibt, mit etwas Glück, Gold.
Und tatsächlich: Nach einer Stunde und zwölf gefüllten Kesseln hat sich ein Häufchen Goldflimmer verfangen. Brändli ist begeistert, obwohl es nicht mal eine Handfläche voll ergibt. «Wow, das ist der Wahnsinn! So viel habe ich noch nie rausgefischt!» Ein Nugget ist jedoch nicht darunter.
Doch der Zürcher Oberländer ist längst infiziert und schaufelt wie wild weiter. Gold-Gusti schmunzelt. Sorgen, dass das Gold zur Neige geht, hat er nicht. «Es hat genug für alle. Nur wissen die andern nicht, wo sie suchen müssen!»
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