Alle Welt rechnete mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen, nun haben die Wahlen im Vereinigten Königreich einen klaren Sieger hervorgebracht: Premierminister David Cameron und seine Tories. Worauf führen sie diesen klaren Sieg zurück?
Zum einen haben die Tories in den letzten Tagen nochmals extrem stark mobilisiert. Zum anderen waren die Prognosen wohl nicht besonders präzis. Gut möglich, dass viele Personen in Telefonumfragen ihre wahren Stimmabsichten für sich behielten. Dieses Phänomen ist in der Schweiz ja auch immer wieder zu beobachten.
Cameron hat versprochen, dass das Volk 2017 über den EU-Austritt abstimmen darf. Was denken Sie: Kommt das sogenannte Brexit-Referendum?
Das Referendum kommt ganz bestimmt. Und es wird die Entwicklung der EU in den nächsten Jahren massgeblich prägen. Die Volksabstimmung wird zum Schicksalsmoment für die EU und für den gesamten Integrationsprozess.
Was bedeutet der Wahlausgang für die Schweiz? Hat sich unsere Verhandlungsposition gegenüber der EU verbessert?
Im Gegenteil. Das Brexit-Referendum wird die Situation der Schweiz enorm erschweren. Ab sofort muss die EU gegenüber der Schweiz noch viel härter auftreten. Die EU muss an uns ein Exempel statuieren.
Ein Exempel – wofür?
Dafür, dass sie ihre zentralen Werte, etwa die Personenfreizügigkeit, verteidigt. Und nur damit Sie mich richtig verstehen: Die EU wird ihre Gangart gegenüber der Schweiz nicht aus Bösartigkeit verschärfen. Sondern weil sie angesichts der Konstellation gar nicht anders kann. Sie muss ganz einfach Stärke beweisen.
Die Wahlen in UK zeigen doch aber, dass die EU-Skepsis zunimmt. Kann sich die EU einfach über diese Ängste hinwegsetzen?
Ich glaube nicht, dass die Themen Migration und Aussenpolitik für den Wahlsieg der Konservativen verantwortlich waren. Das unerwartet schwache Abschneiden der rechtspopulistischen UKIP lässt sogar vermuten, dass dieses Thema nicht mobilisierte. Entscheidend für den Cameron-Triumph war vielmehr, dass die Tory-Regierung in den letzten Jahren einen beispiellosen ökonomischen Aufschwung hingekriegt hat. Wegen dieser Wirtschaftskompetenz rechne ich auch damit, dass Cameron beim Brexit-Referendum gemeinsam mit der gesamten Wirtschaft für einen Verbleib des Königreichs in der EU kämpfen wird.
Was kann die Schweiz Ihrer Meinung nach tun, um sich in Brüssel dennoch Gehör zu verschaffen?
Die Schweiz muss das Verhältnisse zu Brüssel pflegen. Sie muss aufzeigen, dass die Schweiz ein wertvoller Partner der EU ist. Vielleicht gelingt es unseren Verhandlern ja tatsächlich, technische Lösungen zu finden, um gewisse Schwierigkeiten zu mildern. Die Personenfreizügigkeit einschränken zu wollen, wird aber nicht gehen.