Der Sieg der SVP ist massiv. Elf Sitze legt sie im Nationalrat gemäss Hochrechnung zu. Ihren Anspruch auf einen zweiten Bundesratssitz formuliert sie klar und deutlich. Oder wie SVP-Präsident Toni Brunner sagt: «Wenn man uns nun den Sitz nicht gibt, frage ich mich, warum man überhaupt Wahlen durchführt.»
Unterstützung erhält Brunner von der FDP, der zweiten Wahlsiegerin. Die Freisinnigen wollen laut FDP-Chef Philipp Müller einen zweiten SVP-Magistraten wählen. Einzige zentrale Bedingung: Der Kandidat der grössten Partei müsse sich zur Kollegialität bekennen.
Im Nationalrat verfügen die beiden rechtsbürgerlichen Parteien zusammen mit den Vertretern der Tessiner Lega und vom Genfer Mouvement citoyens über eine hauchdünne Mehrheit.
Der klare Wahlsieg, der Support der FDP – einiges spricht nach diesem Wahltag für einen zweiten SVP-Bundesrat. Dennoch ist das Rennen für BDP-Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf noch nicht gelaufen. Im Ständerat gewinnt die SVP nur einen Sitz und die Kräfteverhältnisse bleiben ansonsten stabil. Damit haben SVP und FDP in der Bundesversammlung keine Mehrheit. Und hier wird der Bundesrat gewählt.
Die Koalition, die Widmer-Schlumpf die Treue hält, schliesst bereits ihre Reihen. Laut CVP-Chef Christophe Darbellay «steigt die Bereitschaft zur Zusammenarbeit in der Mitte proportional zur Stärke der Ohrfeige». Die Parteien CVP, BDP und die Grünliberalen führen derzeit Gespräche über eine engere Zusammenarbeit. «Das Wahlresultat lässt die Mitte zusammenrücken», sagt BDP-Chef Martin Landolt. Laut einem Insider ist das Ziel nun klar: Man muss eine gemeinsame Fraktion gründen – diese würde auf einen Schlag zweitstärkste Kraft im Parlament. Das wäre ein starkes Signal zur Legitimation des Widmer-Schlumpf-Sitzes.
Die Unterstützung von links hat die Bündnerin ohnehin auf sicher. Für SP-Chef Christian Levrat gibt es weiterhin keinen Grund, den rechten Parteien SVP und FDP ohne Not eine Mehrheit im Bundesrat zuzugestehen.
Dazu kommt, dass die Situation in der FDP wohl nicht ganz so klar ist, wie Müllers Äusserungen glauben machen.
Für den Waadtländer SP-Nationalrat Roger Nordmann stehen Widmer-Schlumpfs Chancen nach wie vor gut. Er rechnet damit, dass diverse FDP-Politiker die Finanzministerin wieder wählen würden, wenn sie denn antritt. «Die Erfahrung lehrt uns, dass die Lust der welschen Freisinnigen, SVP zu wählen, sehr begrenzt ist, insbesondere wenn die Partei mit einem Deutschschweizer Kandidaten antritt.»
Die BDP-Bundesrätin hat den gestrigen Wahltag in ihrem Berner Büro verbracht und sich auf Kommissionssitzungen vorbereitet. Zur Wahl äusserte sie sich aber nicht. Wollte sie zurücktreten, wäre der nächste Mittwoch nach der nächsten Bundesratssitzung ein passender Moment. Doch das schliesst ein Insider aus.
Widmer-Schlumpf wird sich wohl an der BDP-Delegiertenversammlung am Samstag 31. Oktober öffentlich erklären. Ob sie der Sieg der SVP zum Rücktritt bewegt – oder ob sie der Sieg der SVP gerade anstachelt weiterzumachen, weiss nur sie allein.