Verteidigungsminister im BLICK-Interview zum Nachrichtendienst-Gesetz
Herr Parmelin, was haben Sie zu verstecken?

Bundesrat Guy Parmelin (56) kämpft für das neue Nachrichtendienst-Gesetz.
Publiziert: 31.08.2016 um 17:09 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2018 um 16:21 Uhr
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Guy Parmelin: «Wir würden nur gezielt überwachen, bei konkretem Verdacht.»
Foto: Stefan Bohrer
Interview: Ruedi Studer und Joël Widmer, Fotos: Stefan Bohrer

BLICK: Herr Bundesrat, aus Frankreich komme derzeit eine riesige Datenflut, sagt der Genfer Sicherheitsdirektor Pierre Maudet. Wie kann man diese überhaupt verarbeiten?
In die Details kann ich nicht gehen, aber es ist klar, dass aufgrund der aktuellen Bedrohungslage auch der Informa­tionsaustausch zunimmt. In Krisensituationen sind die Informationen aus dem Ausland aber wichtig. Um wirksam zu sein, müssen wir Prioritäten setzen.

Wo setzt man im Moment den Schwerpunkt?
Ganz klar beim Terrorismus und damit verbunden beim Informationsaustausch und der Einschätzung der Bedrohungslage: Was sind die wahrscheinlichen Risiken für die Schweiz und unsere Nachbarländer? Und bei jedem Anschlag müssen wir allfällige Verbindungen in die Schweiz und unser Dispositiv überprüfen.

Letztes Jahr erhielt der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) 9000 Meldungen aus dem Ausland und lieferte nur 4500. Muss man jetzt aufrüsten, um auf dem Markt des Gebens und Nehmens mithalten zu können?
Nein, der Informationsaustausch funktioniert auch so. Es ist aber nicht eine Frage von «mehr», sondern von «besser» – und das in unserem eigenen Interesse. Eine Datenflut alleine bringt nichts. Die Qualität der Informationen ist entscheidend.

Der Stellenetat des NDB wird temporär aufgestockt, ebenso erhalten die Kantone temporär mehr Geld. Müssten diese Massnahmen nicht unbefristet sein?
In der jetzigen Situation sind diese zusätzlichen Mittel unentbehrlich, um glaubwürdig und wirksam zu bleiben. Wenn nötig, werden wir diese Massnahme verlängern und auch weitere Stellen schaffen.

Das neue Gesetz gibt dem NDB zusätzliche Mittel in die Hand – damit wird die Schweiz zum Schnüffelstaat.
Die Schweiz ist kein Schnüffelstaat. Wir müssen uns aber an die technischen Entwicklungen anpassen. Es ist das Minimum, um eine gute Präventionsarbeit zu machen und dabei die Balance zwischen Sicherheit und individueller Freiheit zu gewährleisten.

Es ist viel mehr als ein Minimum: Sie können mit der Kabelaufklärung den ganzen Internetverkehr überwachen!Falsch! Wir würden nur gezielt überwachen und nur in rund zehn Fällen pro Jahr. Also nur bei konkretem Verdacht, mit strikter Kontrolle durch das Bundesverwaltungsgericht und drei Bundesräte. Alle Kommunikation innerhalb der Schweiz ist davon ausgeschlossen.

Wir haben doch alle Hotmail-Adressen, chatten über Facebook. Deren Server stehen im Ausland. Da können Sie mithören.
Man braucht immer eine Bewilligung für die präzisen Suchbegriffe. Und dabei genügt selbstverständlich das Wort Terror nicht.

Nennen Sie uns doch bitte ein Beispiel.
Es braucht einen Hinweis, dass A mit B kommuniziert und zum Beispiel eine kritische Infrastruktur im Visier hat.

Trotzdem: Der NDB erhält doch so viele neue Mittel in die Hand, dass wir automatisch auf den nächsten Fichenskandal zusteuern.
Nein, das Parlament hat hart gerungen, damit schliesslich ein Gleichgewicht zwischen mehr Sicherheit und individueller Freiheit gefunden wurde. Wir haben genügend Hürden gesetzt, um neue Auswüchse zu verhindern.

Das sagte man auch beim alten Gesetz. Trotzdem flog 2010 wieder ein Fichenskandal auf: 200'000 Dossiers hatten sich angehäuft, weil die Kontrolle versagte.
Wir haben daraus unsere Lehren gezogen und die Fehler korrigiert. Ein solcher Fall darf und wird sich nicht wiederholen!

Die Fichen-Datenbank zählte Ende 2012 rund 56'000 Dossiers von Personen, Institutionen und Medien. Wie sieht der Stand zum jetzigen Zeitpunkt aus?
Dafür ist die Geschäftsprüfungsdelegation der beiden Räte zuständig.

Als zuständiger Bundesrat können Sie selber für Transparenz sorgen. Gerade vor der Abstimmung hat das Stimmvolk doch Anrecht da­rauf!
Entscheidend ist doch nicht die Zahl, sondern dass die Verfahrensabläufe und die Kontrolle richtig funktionieren. Ich sage Ihnen aber gerne, wie viele Mitarbeiter der NDB aktuell hat: 296.

Die Geheimnistuerei um die Fichen-Anzahl ist doch völlig unverständlich. Was haben Sie zu verstecken?Überhaupt nichts! Wir analysieren laufend, welche – auch statistischen – Informationen die Bedrohungslage zulässt. Wie bereits gesagt, ist das Sache der Geschäftsprüfungsdelegation. Sie schafft Transparenz, wenn sie es für richtig hält.

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