Acht Jahre sei es nun her, «seit hier letztes Mal so viel los war». Damals, als ein unbekannter Senator namens Obama Geschichte schrieb. «Dieses Jahr sind die Menschen viel enthusiastischer», sagt Stephanie Penrose (44).
Sie muss es wissen: Seit 15 Jahren arbeitet sie im Wahlbüro von Trumbull County im US-Bundesstaat Ohio – mittlerweile als Direktorin. Sie führt Wahlen durch und trägt neue Wähler ein. Der Grund für den politischen Enthusiasmus in ihrem Bezirk trage einen Namen: «Trump», sagt Penrose.
Nirgends in Ohio gewann Donald Trump (70) in den Vorwahlen mehr Stimmen als hier. Dabei wählt die Region meist demokratisch. Penrose: «Viele registrieren sich, um im November Trump wählen zu können.»
Eine Aussage, die Hillary Clinton (68) beunruhigen sollte. Denn sie weiss: Hier im Swing State Ohio entscheidet sich diese Wahl. Wer Ohio gewinnt, wird wohl ins Weisse Haus von Washington einziehen.
Hier im Rostgürtel bangen frustrierte weisse Männer um ihren Job – wenn sie überhaupt noch einen haben. Ihre Hoffnungen ruhen auf Trump (70). Der weiss: nie zuvor ist ein Republikaner Präsident geworden, ohne in Ohio zu triumphieren.
Auch deshalb kürten die Republikaner ihren Kandidaten in Cleveland, Ohio. Eine Stunde davon entfernt liegt Warren, die Hauptstadt des 225'000 Einwohner zählenden Trumbull County. Ein schmucker Ort mit Park und aufgeschlossenen Menschen.
Auf dem Parkplatz vor einem Supermarkt hievt Sam (41) volle Taschen in ein Auto. Er fährt einen blauen Chevrolet, hergestellt in der General-Motors-Fabrik, wo Sam nachts als Wächter arbeitet.
Er sei ein Demokrat, wie die Mehrheit. Seit 2000 wählt er nicht mehr, misstraut wegen des Wahlfiaskos in Florida partout allen Politikern. Diesen Herbst aber geht Sam zur Urne: «Ich wähle Trump.»
Sam sagt, was Trump erkannt hat. «Ich bin ein weisser Mann, und als das bin ich in der Minderheit, für mich interessiert sich keiner.» Ausser Trump, der will, dass die vergessene Minderheit ihn ins Weisse Haus trägt. Eine Strategie, die verfängt. «Trump gibt mir das Gefühl, es höre endlich wieder jemand meine Probleme.»
Leicht fällt es Sam nicht, Republikaner zu wählen. Zu sehr verachtet der ehemalige Polizist Waffennarren. «Es hat zu viele Knarren auf der Strasse, die müssen weg.» Die Republikaner aber wollten sogar Maschinenpistolen und Sturmgewehre allen zugänglich machen.
Und doch wählt er Trump. «Die USA ist wirtschaftlich schwach geworden, wir importieren fast alles.» Er zeigt auf sein Auto, made in USA. «Die gesamte Elektronik aber stammt aus Asien.» Abhilfe schaffe nur, was Trump predigt: Hohe Importzölle auf chinesische Waren.
Stets lebte Sam in Ohio. Er sah zu, wie in den letzten zwanzig Jahren 15 Stahlwerke schlossen. Wie Supermärkte eingingen. Häuser zerfielen. Menschen gingen. Zwar kam General Motors zurück. Aber die Löhne sind heute tiefer, die Verträge schlechter. «Verantwortlich ist der freie Handel», sagt Sam.
Konzerne wie Ford oder General Motors hätten ihre Fabriken über Nacht nach Mexiko verlegt. Dort verdient ein Arbeiter 9 Dollar die Stunde, in Ohio sind es 29 Dollar. «Das zerstört die Mittelklasse.»
Er verstaut eine letzte Tüte im Auto. «Vielen Politikern ist es egal, die kümmern sich nicht um kleine Leute.» Trump sei anders. «Der hat so genügend Wut im Bauch, er könnte uns tatsächlich retten.»
Ähnlich denkt Robert York (33). Er führt den Dollar-Supermarket an Warrens Hauptstrasse. Vor acht Jahren wählte er Obama. «Jetzt wähle ich Trump, Amerika muss sich ändern. Als Geschäftsmann versteht er unsere Bedürfnisse.» Und er sei kein A...lecker. «Er sagt, wie es ist.»
Schnurgerade führt die Main Street von Warren südwärts, vorbei an einem verrosteten Stahlwerk. Morgen Montag wird es gesprengt. Wer hier arbeitete, verdiente gut, stieg in die Mittelklasse auf, schickte die Kinder ans College. Lebte in einem der Einfamilienhäuser am Strassenrand. Schmuck waren sie einst, nun zerfallen sie. Da sie niemand kaufen will, vergammeln sie. Wie vielenorts im Rostgürtel.
Darüber redet Trump. In Cleveland versprach er, aufgebrochene Strassen zu sanieren, neue Häuser zu bauen, die Stahlindustrie wieder hier anzusiedeln. Es wirkt. Vor vier Jahren holten die Demokraten in Trumbull noch 56,5 Prozent der Stimmen, die Republikaner 42,3 Prozent. Bei den jüngten Vorwahlen im Frühling schrumpfte der Anteil der Demokraten auf 52,3 Prozent. Die Republikaner sind jetzt bei 45,1 Prozent. «Trump wird den Bezirk sogar gewinnen», sagt Unternehmer York.
Was Leonard Reynolds (66) begrüsst. 46 Jahre hat er hier Lebensmittel verkauft, nun ist er pensioniert. Die Zeit vertreibt er sich mit dem Kauf und Verkauf von Antiquitäten. Erstmals will er im November einen Republikaner wählen. Er sei einer der «alten weissen Männer für Trump». Obama, den er zweimal wählte, habe Amerika an die Chinesen verscherbelt. «Überall wo du hingehst, gibt es nur noch ‹Made in China› zu kaufen.»
Er ist kein hartgesottener Rechter, im Gegenteil. Trumps Vizepräsident Mike Pence (57) stosse ihn ab. «Er ist mir zu konservativ.» Seine Tochter arbeite für die Post, ist 47, wählt normalerweise demokratisch. «Sie ist wie ich für Trump.» Obwohl mit Hillary Clinton eine Frau zur Wahl steht.
Dad steht in grossen Buchstaben auf dem T-Shirt von Gerold Wright (52). Fünf Töchter hat der Lastwagenfahrer. Lange fuhr er schwere Trucks durchs ganze Land. «Dann kamen die Ausländer und machten das Gleiche für die Hälfte.»
Er wählt Trump, weil er sich nicht mehr sicher fühlt in Amerika. Angst hat er vor islamistischen Terroristen. Deshalb will er eine Mauer entlang der Grenze zu Mexiko. «Das schafft nur Trump.»