Die jungen Männer steuern in der Wandelhalle auf Martin Landolt (BDP, 48) zu. «Sie sprachen mich freundlich an», sagt der Nationalrat. Es sei ihnen ein Anliegen, Türken in der Schweiz für die Wahlen zu begeistern. «Ich fand es gut, dass sie sich für die Demokratie einsetzen.»
Was die Männer verschweigen: Sie sind Vertreter der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD). Die Organisation lobbyiert immer aggressiver für Recep Tayyip Erdogan (63) und dessen Partei AKP (siehe nächste Seite). Zuletzt wollte sie den türkischen Aussenministers für einen Werbeauftritt in die Schweiz einfliegen.
«Programm war sehr einseitig»
Neben Landolt sprechen die UETD-Vertreter weitere Parlamentarier an. Sie schlagen eine «Bildungsreise» nach Ankara und Istanbul vor. «Wir sprachen uns untereinander und mit dem Aussendepartement ab», so Alec von Graffenried (54, Grüne). Der damalige Nationalrat sagt zu. Auch Landolt willigt ein, genauso Yves Nidegger (59, SVP), Elisabeth Schneider-Schneiter (53, CVP) und Karl Vogler (60, CSP).
Am 6. April 2014 beginnt der dreitägige Trip. «Unter der Bedingung, Vertreter aller politischen Lager zu besuchen», so von Graffenried. «Das Programm war dann aber sehr einseitig.» Neben der AKP-Parteizentrale besucht man etwa eine von Erdogan kontrollierte «wissenschaftliche» Einrichtung.
Wer liess die Lobbyisten in die Wandelhalle?
Die UETD-Lobbyisten begleiten ihre Gäste ständig. Sie stellen ihnen einige Minister vor – alle treue Gefolgsleute Erdogans. «Wir mussten mehrmals darauf beharren, dass wir auch Vertreter der Opposition treffen wollen», sagt Landolt. «Schliesslich schien es zu klappen.» Diese Vertreter seien aber sehr zurückhaltend aufgetreten. «Vielleicht waren es Marionetten.»
Höhepunkt der Reise: Ein kurzes Treffen mit Erdogan persönlich. Zuvorkommend und überlegt sei er aufgetreten, so Nationalrat Vogler. Die Lobbiysten hätten ihr Ziel gleichwohl verfehlt: «Vor dem Abflug hofften wir noch, dass Erdogan das Land demokratisieren wird. Diese Reise hat meinem Eindruck von ihm eher geschadet.» Die Parlamentarier betonen, dass sie Flug und Hotel selbst bezahlt haben – den Rest übernahmen die Organisatoren. Wer die Lobbyisten ursprünglich ins Bundeshaus liess? Daran kann sich keiner mehr erinnern.
UETD sammelt Unterschriften für die SVP
Mit der UETD ins Geschäft kam auch SVP-Nationalrat Sebastian Frehner (43). Ein Foto von Ende 2013 zeigt, wie ihm UETD-Leute Unterschriften überreichen. Sie hatten diese für Frehners Volksinitiative gegen zu frühe Sexualkunde gesammelt.
«Im Detail kannte ich die UETD nicht», sagt der Nationalrat. Mittlerweile sehe er die Organisation mit anderen Augen. «Die AKP und dieser immer mehr zum Absolutismus neigende Erdogan sind mir alles andere als sympathisch. Seine Anhänger sollen ihren Wahlkampf da führen, wo sie herkommen.»
Der Bundesrat sieht kein Problem. Es sei zulässig, dass sich ausländische Gruppen in der Schweiz politisch betätigten, schrieb er im November auf eine Anfrage von Ständerat Josef Dittli (59, FDP). Diese Antwort sei in Ordnung, sagt Dittli. «Es muss aber immer wieder geprüft werden, welche Art von Organisationen bei uns politisieren.» Eintritt ins Bundeshaus erhielten Lobbyisten nur auf Einladung. «Die Verantwortung liegt deshalb bei jedem einzelnen Parlamentarier.»