80 Prozent der hierzulande lebenden Muslime finden, sie seien gut in die Schweizer Gesellschaft integriert. Das besagt eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts GFS Bern (BLICK berichtete). In einem Punkt sind aber Zweifel angebracht: bei der Gleichberechtigung von Frau und Mann.
Bern – Das Umfrageinstitut GfS Bern hat erstmals gezielt Muslime zu ihrem Verhältnis zu Staat und Gesellschaft befragt. Die Pilotstudie ist aufschlussreich, aber nicht repräsentativ. Zudem ist sie umstritten, weil die Umfrage von der UETD Switzerland in Auftrag gegeben wurde, der Auslands-Lobbyorganisation des türkischen Präsidenten Erdogan.
Bern – Das Umfrageinstitut GfS Bern hat erstmals gezielt Muslime zu ihrem Verhältnis zu Staat und Gesellschaft befragt. Die Pilotstudie ist aufschlussreich, aber nicht repräsentativ. Zudem ist sie umstritten, weil die Umfrage von der UETD Switzerland in Auftrag gegeben wurde, der Auslands-Lobbyorganisation des türkischen Präsidenten Erdogan.
Nur gerade 16 Prozent der von GFS befragten Muslime meinen, Frauen und Männer würden im Islam ungleich behandelt. 58 Prozent der Männer bestreiten zudem, dass es Muslime gebe, die ihre Frauen unterdrückten. Bei den Musliminnen ein ähnliches Bild: Nur gerade 16 Prozent sagen, dass Islam und Feminismus nicht zusammengehen.
Muslime verstehen unter Gleichberechtigung etwas anderes
Wie passt das zur Weigerung, einer Lehrerin die Hand zu geben? Wie zu den Zwangsehen, die auch in der Schweiz geschlossen werden – und zwar mehrheitlich von Imamen? Wie passt das dazu, dass schon Schülerinnen Kopftuch tragen? Die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung sieht dies als Beweis dafür, dass Frauen den Männern im Islam eben nicht gleichgestellt sind. Woher kommen die unterschiedlichen Ansichten?
«Die Studie hat nicht geklärt, welche Definition von Feminismus sie verwendet», kritisiert die muslimische Politologin Elham Manea (51). Die Befragten würden unter Feminismus etwas anderes verstehen als im Westen üblich. So sei das Kopftuch für viele Musliminnen kein Zeichen der Unterdrückung. «Natürlich kann eine Frau, die Kopftuch trägt, emanzipiert sein», sagt Manea. Sie selbst kenne solche Frauen. Und dennoch sei die Kopfbedeckung «Symbol des politischen Islams» und als solches auch ein «Zeichen der bewussten Abgrenzung».
Die Religion sei nicht schuld
Laut Manea kommt in den Antworten zudem ein Verteidigungsreflex zum Tragen, der bei jeglicher Kritik am Islam ausgelöst wird: «Meine Religion ist nicht schuld!», heisse es dann gleich. Für sie sei es daher «fast als positives Zeichen zu werten, dass doch 21 Prozent der Befragten sehen, dass es Muslime gibt, die ihre Frauen unterdrücken», so die Islam-Expertin.
Viele Muslime verweisen darauf, dass Frau und Mann im Islam gleichgestellt sind. So steht im Koran, Männern und Frauen stehe der gleiche Lohn für ihre Taten zu.
Daraus Gleichberechtigung abzuleiten, greift aber zu kurz. Denn dem Mann wird im Koran sehr wohl eine Vormachtstellung eingeräumt. So sind Zeugenaussagen von Frauen nur die Hälfte von Aussagen der Männer wert. Und Frauen erben nur halb so viel wie Männer.
«Wir müssen uns vom Koran befreien»
Dass der Prophet Mohammed die Stellung der Frau aufgewertet habe, sei daher eine der «grössten Legenden des Islams», urteilt Manea. Allerdings schränkt sie ein, dass es in der islamischen Welt sehr unterschiedliche Geschlechterrollen gebe: «In Grossstädten wie Ankara und in Ländern wie Tunesien sind Frauen gleichberechtigt. An bestimmten Orten Indonesiens gibt es sogar ein Matriarchat. Doch gerade in ländlich geprägten, konservativen Kreisen ist es so, dass die Frau gehorchen muss.»
Für Manea ist klar, dass die Muslime sich von der Vorstellung des Korans als Gotteswort befreien müssen. Nur wer das heilige Buch als menschengemacht anschaue, könne seine Gebote richtig einordnen. «Wir Muslime stehen an einem historischen Punkt: Wir müssen uns entscheiden, welchen Weg wir einschlagen.»
BLICK: Ihr Umfrageinstitut GFS Bern hat im Aufrag der UETD, der Union Europäisch-Türkischer Demokraten, eine Befragung gemacht. Die UETD ist der verlängerte Arm des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Der auch schon mal Erdogan-Kritiker in der Schweiz filmt. Wieso haben Sie den Auftrag angenommen?
Lukas Golder: Als die UETD vor drei Jahren das erste Mal Kontakt mit uns aufnahm, war die Situation in der Türkei noch eine ganz andere. Auch die UETD Switzerland stand noch nicht wirklich in der Kritik. Zudem hatten wir kurz vorher eine Studie abgeschlossen, die zeigte, dass sowohl Schweizer wie auch Ausländer verbreitet muslimfeindlich eingestellt sind. Wir erachteten daher auch die Perspektive der Musliminnen und Muslime in der Schweiz als relevant. Trotz der totalitären Züge, die die Türkei mittlerweile hat, und trotz der Kritik an der UETD.
Wie viel Geld haben Sie von der UETD erhalten?
Rund 50’000 Franken. Wir haben die vergangenen drei Jahre dafür recht intensiv gearbeitet.
Wie hat sich die UETD eingebracht? Hat sie Ihnen die Fragen diktiert?
Nein. Die Zusammenarbeit mit der UETD verlief sehr professionell, und unsere wissenschaftliche Unabhängigkeit war nie infrage gestellt. Für uns war eine breite Abstützung wesentlich. Daher haben wir eine Trägerschaft aus verschiedensten muslimischen Vereinen ins Leben gerufen, die sehr viel breiter ist als die relativ kleine Organisation UETD. Nach der Kritik in der Schweiz an der UETD und an den totalitären Tendenzen der Türkei haben wir uns noch einmal nach allen Seiten abgesichert. Erst dann haben wir die Studie publiziert. Sie ist nun für Kritik offen.
Es sind also nicht vor allem Erdogan-Anhänger zur Sprache gekommen?
Nein, wir haben verschiedenste Wege gehabt, um Listen mit Namen zu erhalten, und man konnte sich auch direkt bei uns einbringen. Die breite und relativ umfassende Abdeckung muslimischer Kreise war für die Pilotstudie auch wesentlich. Wir sind der Meinung, dass es gewisse Verzerrungen geben kann, gewisse Tendenzen, vor allem im türkischen Lager, wo die UETD half, Adressen zu sammeln, aber wir haben das auch bestmöglich abgesichert.
Haben die Befragten gewusst, dass die UETD die Studie bezahlt hat?
Ja, das war transparent. Wie immer.
Die Studie ist nicht repräsentativ. Wie gross ist ihre Aussagekraft?
Wir haben den Eindruck, dass wir ein sehr breites Feld von Muslimen erfragt haben und sehr breite Muster von Diskriminierungerfahrungen und Einstellungen zum Ausdruck kommen. Aber eben: Es ist eine Pilotstudie, die den Anstoss zu weiterer Forschung geben soll.
Was war für Sie das spannendste Ergebnis?
Dass die islamkritische Medienberichterstattung tatsächlich die Einstellung mitprägt. Die Muslime verschliessen sich nicht gegenüber Schweizer Medien, sie konsumieren sie, sie sind integriert, hier zu Hause und auch zu einem guten Teil interessiert. Und trotzdem nehmen sie sehr verbreitet das Muster wahr, dass sie sehr stereotyp dargestellt werden, und immer in die Ecke des Terrors, des Extremismus und des Islamismus geschoben werden. Das hat ein tiefes Diskriminierungsgefühl geweckt.
BLICK: Ihr Umfrageinstitut GFS Bern hat im Aufrag der UETD, der Union Europäisch-Türkischer Demokraten, eine Befragung gemacht. Die UETD ist der verlängerte Arm des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Der auch schon mal Erdogan-Kritiker in der Schweiz filmt. Wieso haben Sie den Auftrag angenommen?
Lukas Golder: Als die UETD vor drei Jahren das erste Mal Kontakt mit uns aufnahm, war die Situation in der Türkei noch eine ganz andere. Auch die UETD Switzerland stand noch nicht wirklich in der Kritik. Zudem hatten wir kurz vorher eine Studie abgeschlossen, die zeigte, dass sowohl Schweizer wie auch Ausländer verbreitet muslimfeindlich eingestellt sind. Wir erachteten daher auch die Perspektive der Musliminnen und Muslime in der Schweiz als relevant. Trotz der totalitären Züge, die die Türkei mittlerweile hat, und trotz der Kritik an der UETD.
Wie viel Geld haben Sie von der UETD erhalten?
Rund 50’000 Franken. Wir haben die vergangenen drei Jahre dafür recht intensiv gearbeitet.
Wie hat sich die UETD eingebracht? Hat sie Ihnen die Fragen diktiert?
Nein. Die Zusammenarbeit mit der UETD verlief sehr professionell, und unsere wissenschaftliche Unabhängigkeit war nie infrage gestellt. Für uns war eine breite Abstützung wesentlich. Daher haben wir eine Trägerschaft aus verschiedensten muslimischen Vereinen ins Leben gerufen, die sehr viel breiter ist als die relativ kleine Organisation UETD. Nach der Kritik in der Schweiz an der UETD und an den totalitären Tendenzen der Türkei haben wir uns noch einmal nach allen Seiten abgesichert. Erst dann haben wir die Studie publiziert. Sie ist nun für Kritik offen.
Es sind also nicht vor allem Erdogan-Anhänger zur Sprache gekommen?
Nein, wir haben verschiedenste Wege gehabt, um Listen mit Namen zu erhalten, und man konnte sich auch direkt bei uns einbringen. Die breite und relativ umfassende Abdeckung muslimischer Kreise war für die Pilotstudie auch wesentlich. Wir sind der Meinung, dass es gewisse Verzerrungen geben kann, gewisse Tendenzen, vor allem im türkischen Lager, wo die UETD half, Adressen zu sammeln, aber wir haben das auch bestmöglich abgesichert.
Haben die Befragten gewusst, dass die UETD die Studie bezahlt hat?
Ja, das war transparent. Wie immer.
Die Studie ist nicht repräsentativ. Wie gross ist ihre Aussagekraft?
Wir haben den Eindruck, dass wir ein sehr breites Feld von Muslimen erfragt haben und sehr breite Muster von Diskriminierungerfahrungen und Einstellungen zum Ausdruck kommen. Aber eben: Es ist eine Pilotstudie, die den Anstoss zu weiterer Forschung geben soll.
Was war für Sie das spannendste Ergebnis?
Dass die islamkritische Medienberichterstattung tatsächlich die Einstellung mitprägt. Die Muslime verschliessen sich nicht gegenüber Schweizer Medien, sie konsumieren sie, sie sind integriert, hier zu Hause und auch zu einem guten Teil interessiert. Und trotzdem nehmen sie sehr verbreitet das Muster wahr, dass sie sehr stereotyp dargestellt werden, und immer in die Ecke des Terrors, des Extremismus und des Islamismus geschoben werden. Das hat ein tiefes Diskriminierungsgefühl geweckt.