Das Dublin-System sagt, dass Asylsuchende, welche in einem anderen Staat einen Antrag gestellt haben, automatisch an diese zurückgeführt werden dürfen. So sollen Verfahren in verschiedenen Ländern vermieden werden.
In der Praxis allerdings, klappte das System nicht wie gewünscht – aus unterschiedlichen Gründen. Nun hat das Bundesverwaltungsgericht ein neues Urteil gefällt, das die Rückweisung an das erste Land komplizierter machen könnte.
Das Gericht hat entschieden, dass das Staatssekretariat für Migration (SEM) jeden Dublin-Fall auf «humanitäre Gründe» überprüfen muss.
Wie die «NZZ» heute schreibt, geht es um den konkreten Fall eines Kosovaren, der mit seiner Frau und den vier Kindern in der Schweiz Asyl beantragte. Dabei hatte die Familie zuerst in Ungarn ein Gesuch eingereicht. Während des laufenden Verfahrens ist die Familie weiter in die Schweiz gereist.
Das SEM trat nicht auf das Gesuch ein und wollte die Kosovaren nach Ungarn zurückweisen. Daraufhin wehrte sich die Familie mit der Begründung, dass sie in Ungarn in einer menschenunwürdigen Unterkunft leben müssten. Und das Bundesverwaltungsgericht gab der Familie recht.
Das Staatssekretariat habe den Fall nicht genügend abgeklärt, begründen die Richter in St. Gallen ihr Urteil. Denn in der Asylverordnung 1 heisst es, dass das SEM ein Gesuch «aus humanitären Gründen» auch dann behandeln kann, wenn ein anderer Dublin-Staat zuständig wäre.
Wann eine genauere Überprüfung gemacht werden soll, ist nicht präzisiert. Mit dem Urteil schränkt das Gericht den Spielraum der Migrationsbehörde ein. Es verlangt, dass das SEM zukünftig alle wesentlichen Umstände abklärt, etwa den Gesundheitszustand oder die Situation im Erstasylland.
Erst nach dieser Analyse soll das SEM ein Entscheid fällen. Da sich die Migrationsbehörde bei der kosovarischen Familie nur darauf gestützt habe, dass die Rückweisung nach Ungarn zulässig sei, müsse das SEM den Fall nun neu überprüfen.
SVP-Nationalrat Roland Büchel: «Der Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts ist eine Katastrophe.» Dass EU-Staaten nicht in der Lage sein sollen, Asylsuchende anständig unterzubringen, glaube er nicht. «Ungarn hat das Dublin-Abkommen unterzeichnet und ist damit verpflichtet, die Regeln einzuhalten.»
Anders sieht das Martin Naef. Der SP-Politiker sagt: «Das Urteil stellt nicht die Unzumutbarkeit einer Verweisung an Ungarn fest, sondern rügt lediglich die mangelnde Prüfung derselben durch das BFM.»
Europa müsse solidarisch dafür sorgen, dass überall menschenwürdige Bedingungen für Schutzsuchende herrschen. «Italien, Griechenland und Ungarn brauchen hier unsere Unterstützung. Im unserem Interesse - und im Interesse der Flüchtlinge.» (bie)