Die Steuereinnahmen lagen letztes Jahr bei 137 Millionen, gleichzeitig zahlte Biel 107 Millionen an Sozialhilfe. Mit anderen Worten: Die Sozialhilfekosten fressen inzwischen 80 Prozent der Steuereinnahmen auf!
«Das ist in der Tat zu viel», sagt SP-Stadtpräsident Erich Fehr. Das Problem sei, «dass die Sozialhilfeempfänger keine Steuern zahlen, gleichzeitig aber Infrastrukturbedürfnisse auslösen, die andere bezahlen müssen». Massnahmen seien eingeleitet worden, um die Kosten zu senken. Um wie viel genau, könne man nicht sagen. Die Situation ist ja noch immer komfortabel genug. Denn der Kanton Bern und andere Berner Gemeinden bezahlen die 107 Millionen Sozialkosten
via Lastenausgleich. Im Gegensatz zu anderen Kantonen, in denen die Gemeinden die Sozialkosten selber berappen müssen. «Das ist ein Akt der Solidarität», so Fehr. Nur so könne das Ganze funktionieren. Man könnte auch sagen: Biel hängt am Tropf des Kantons. Und der Kanton Bern am Tropf der Schweiz. Denn dieser erhält jährlich eine stattliche Summe aus dem Nationalen Finanzausgleich, 2015 werden es 1,2 Milliarden sein.
Ein System, das mittlerweile auch in linken Kreisen hinterfragt wird. «Wenn man die Kosten nicht selber bezahlen muss, wo ist dann der Anreiz zu sparen?», fragt der grünliberale Bieler Stadtrat Alain Pichard. In den letzten Jahren sei in Biel eine regelrechte Sozialhilfe-Industrie aufgebaut worden. Zahlreiche Firmen würden die Behörden unterstützen. Und dabei gut Geld verdienen. Für jeden Sozialfall, der betreut wird, bezahlt das Amt 1500 Franken im Monat. Die Abklärungen sind umfangreicher geworden und aufwendiger, doch die Fälle nicht weniger.
Im Gegenteil: Fallzahlen und Kosten steigen Jahr für Jahr. «Weniger Sozialhilfeempfänger würden weniger Stellen bedeuten», so Pichard. Es habe niemand Lust, am eigenen Ast zu sägen.
Bürgerliche ratlos
Auch die Bürgerlichen scheinen ratlos. Der Bieler Sozialvorsteher Beat Feurer von der SVP sagt: «Mehr als die Hälfte der Sozialfälle sind Migranten, viele aus Afrika, die meisten ohne Ausbildung. Wenn sie denn einen Job bekommen, sind sie die Ersten, die ihn verlieren, in Krisenzeiten.» Und überhaupt: «Immer häufiger kooperieren Personen nicht. Sie bewerben sich nicht. Nehmen nicht teil an Beschäftigungsprogrammen.» Die Sanktionsmassnahmen, die erlaubt wären, seien zu harmlos. Um maximal 15 Prozent darf der Grundbetrag gekürzt werden. «Das tut niemandem weh.» Selbst Arbeitsverweigerer könne man nicht aus der Sozialhilfe werfen. Dazu gibt es sogar einen umstrittenen Bundesgerichtsentscheid: Er verpflichtete die Gemeinde Berikon AG, einen Querulanten und Arbeitsverweigerer weiterhin zu unterstützen (SonntagsBlick berichtete).
Deshalb ist man in Oberwil-Lieli AG darauf bedacht, nicht mehr als fünf Sozialhilfeempfänger zu unterstützen, wie der Gemeindepräsident, SVP-Grossrat Andreas Glarner, sagt. Um die Vorgabe zu erreichen, verpflichtet die 2200-Seelen-Gemeinde Sozialhilfeempfänger zu gemeinnütziger Arbeit. «Wer von der Allgemeinheit Geld bekommt, ist auch verpflichtet, etwas zurückzugeben», so Glarner. Man habe mit der Arbeitspflicht gute Erfahrungen gemacht. «Um 7 Uhr früh zur Arbeit erscheinen zu müssen, hat schon einige bewegt, sich wieder von der Sozialhilfe abzumelden.» Andere hätten durch ihre Jobs beim Werkhof, im Schulhaus, beim Strassenbau oder der Müllabfuhr den Wiedereinstieg in die Berufswelt geschafft.