So werden die Autofahrer geschröpft
Bussen-Orgie überrollt die Schweiz

Rekord! Kantone budgetieren über 250 Millionen Franken an Bussen. Mit neuen Radarfallen und tieferen Toleranzwerten sollen die geplanten Summen erreicht werden. Politiker und Polizisten wehren sich.
Publiziert: 30.12.2014 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 19:12 Uhr
Zum Wohle der Sicherheit oder dem der Staatskassen? Beim den Einsatz von Radarfallen scheiden sich die Gemüter.
Foto: Keystone
Von Ruedi Studer

Schöne Bescherung! Die Bussenbudgets der kantonalen Polizeikorps steigen im Jahr 2015 auf breiter Front an. Das zeigt eine BLICK-Erhebung. Im Vergleich zu 2014 wird in mindestens elf Kantonen im Budget mit höheren Ordnungsbussen-Einnahmen geplant. In acht Kantonen bleibt das Niveau gleich. Nur vier Kantone senken die Vorgaben. Im Schnitt steigen die Budgets um über drei Prozent (siehe Tabelle). Noch krasser ist der Anstieg im Vergleich mit der Rechnung 2013: 18 Kantone sehen teils massiv höhere Einnahmen vor.

Mehr Radarfallen und tiefere Toleranzwerte

Was steckt dahinter? Mehrere Kantone verweisen auf neue, halbstationäre Radargeräte. «Der Anstieg von 2013 auf 2014 ist mit der vom Kantonsrat bewilligten Beschaffung von fünf zusätzlichen semistationären Geschwindigkeitsmessanlagen begründet», schreibt zum Beispiel die Kantonspolizei St. Gallen. Angeführt werden auch tiefere Toleranzwerte. «Wir haben 2012 die Auslösegeschwindigkeit auf den Autobahnen nach unten korrigiert, auf die gleiche Ebene wie die umliegenden Kantone», heisst es aus Baselland. Ein weiterer Grund: der Mehrverkehr. «Im Kanton Thurgau nimmt der Verkehr jedes Jahr um 1,5 Prozent zu, die Zahl der gemeldeten Motorfahrzeuge sogar um 2,5 Prozent», erklärt die Kantonspolizei.

Der Bussenrekord ruft nun Bundespolitiker auf den Plan. «Verkehrsbussen sind dafür gedacht, für Ordnung und Sicherheit im Strassenverkehr zu sorgen – und nicht als Einnahmequelle des Fiskus», wettert SVP-Nationalrat Jean-François Rime. Doch das ändere sich zunehmend. «Die Polizei steht unter Druck, mit Bussen Geld einzunehmen, um den Staatshaushalt zu verbessern.»

Rime hat in der Winterses­sion einen Vorstoss eingereicht, in dem er vom Bun-desrat Antworten verlangt. «Verkehrsbussen sollten kein Bestandteil von Voranschlägen sein – und Budgetvorgaben für Polizisten muss man gesetzlich verbieten», sagt Rime. Er will den Kantonen den Anreiz zur Bussenjagd nehmen. «Der Bundesrat soll prüfen, ob es nicht eine Möglichkeit gibt, Verkehrsbussen den Steuerzahlern zurückzuerstatten – zum Beispiel in Form von Steuerrabatten oder zugunsten der AHV.» Auch Rimes Parteikollegen Walter Wobmann und Christoph Mörgeli kämpfen mit Vorstössen gegen den Bussenterror (BLICK berichtete).

Politiker und Polizisten gegen die Kantone

Die Kantone wehren sich: «Es gibt keinen politischen Auftrag, eine bestimmte Einnahmenhöhe zu erzielen. Wir müssen den Bussenertrag aufgrund der Erfahrungen möglichst realistisch budgetieren», erklärt die Zuger Sicherheitsdirektion.

Beim Verband Schweizerischer Polizeibeamter sieht man das etwas anders: «In gewissen Polizeikorps ist der Druck zum Bussenbolzen durchaus vorhanden», bestätigt Generalsekretär Max Hofmann. «Dagegen wehren wir uns! Polizisten sind nicht dazu da, für den Staat Kassier zu spielen, um das Budget zu verbessern. Sonst fehlt die Zeit für andere wichtige Aufgaben wie die Prävention oder die Kriminalitätsbekämpfung.»

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